Full text: Immanuel Kant's sämmtliche Werke (6. Band)

S6 Ueber das Misslingen aller philosophischen 
in einer Sinnenwelt, haben wir keinen Begriff; und können auch zu dı 
demselben nie zu gelangen hoffen. Denn ein Geschöpf zu sein und als ve 
Naturwesen blos dem Willen seines Urhebers zu folgen, dennoch aber ti 
als freihandelndes Wesen, (welches seinen vom äussern Einfluss unab- v 
hängigen Willen hat, der dem erstern vielfältig zuwider sein kann,) der pP 
Zurechnung fähig zu sein, und seine eigene That doch auch zugleich als 8 
die Wirkung eines höheren Wesens anzusehen, ist eine Vereinbarung S 
von Begriffen, die wir zwar in der Idee einer Welt, als des höchsten Sf 
Gutes, zusammen denken müssen; die aber nur der einsehen kann, wel- fi 
cher bis zur Kenntniss der übersinnlichen (intelligiblen) Welt durch- 
dringt und die Art einsieht, wie sie der Sinnenwelt zum Grunde liegt; 
auf welche Einsicht allein der Beweis der moralischen Weisheit des 
Welturhebers in der letztern gegründet werden kann, da diese doch nur 
die Erscheinung jener erstern Welt darbietet, — eine Einsicht, zu der 
kein Sterblicher gelangen kann. ; 
Alle Theodicee soll eigentlich Auslegung der Natur sein, sofern 
Gott durch dieselbe die Absicht seines Willens kund macht. Nun ist 
jede Auslegung des’ declarirten Willens eines Gesetzgebers entweder 
doctrinal oder authentisch. Die erste ist diejenige, welche jenen 
Willen aus den Ausdrücken, deren sich dieser bedient hat, in Verbin- 
dung mit den sonst bekannten Absichten des Gesetzgebers, herausver- 
nünftelt ; die zweite macht der Gesetzgeber selbst. 
Die Welt, als ein Werk Gottes, kann von uns auch als eine gött- 
liche Bekanntmachung der Absichten seines Willens betrachtet wer- 
den. Allein hierin ist sie für uns oft ein verschlossenes Buch; jeder- 
zeit aber ist sie dies, wenn es darauf angesehen ist, sogar die Endab- 
sicht Gottes, (welche jederzeit moralisch ist,) aus ihr, obgleich einem 
Gegenstande der Erfahrung, abzunehmen.. Die philosophischen Ver- 
suche dieser Art Auslegung sind doctrinal, und machen die eigentliche 
Theodicee aus, die man daher die doetrinale nennen kann. — Doch 
kann man auch der blosen Abfertigung aller Einwürfe wider die gött- 
liche Weisheit den Namen einer Theodicee nicht versagen, wenn sie ein 
göttlicher Machtspruch, oder, (welches in diesem Falle auf Eins 
hinausläuft,) wenn sie ein Ausspruch derselben Vernunft ist, wodurch 
wir uns den Begriff von Gott als einem moralischen und weisen Wesen 
nothwendie und vor aller Erfahrung machen. Denn da wird Gott
	        
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