Full text: Immanuel Kant's sämmtliche Werke (6. Band)

320 Ueber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein ete. 
Ursache für Strafen anzusehen; denn diese freffen nur den freien, aber 
gesetzwidrigen Willen; Natur aber und Neigung können der Freiheit 
nicht Gesetze geben. Ganz anders ist es mit der Idee der Pflicht be- 
wandt, deren Uebertretung, auch ohne auf die ihm daraus erwachsenden 
Nachtheile Rücksicht zu nehmen, unmittelbar auf das Gemüth wirkt 
und den Menschen in seinen eigenen Augen verwerflich und strafbar 
macht. 
Hier ist nun ein klarer Beweis, dass alles, was in der Moral für die 
Theorie richtig ist, auch für die Praxis gelten müsse..— In der Qualität 
eines Menschen, als eines durch seine eigene Vernunft gewissen Pflich- 
ten unterworfenes Wesens, ist also Jedermann ein Geschäftsmann; 
und da er doch, als Mensch, der Schule der Weisheit nie entwächst, so 
kann er nicht etwa, als ein vermeintlich durch Erfahrung über das, was 
ein Mensch ist und was man von ihm fordern kann, besser Belehrter, 
den Anhänger der Theorie mit stolzer Verachtung zur Schule zurück- 
weisen. Denn alle diese Erfahrung hilft ihm nichts, um sich der Vor- 
schrift der "Theorie zu entziehen, sondern allenfalls nur zu lernen, wie 
sie besser und allgemeiner ins Werk gerichtet werden könne, wenn man 
sie in, seine Grundsätze aufgenommen hat; von welcher pragmatischen 
Geschicklichkeit aber hier nicht, sondern nur von letzteren die Rede ist.
	        
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