Full text: Kant

Ichheit und Urteil bestimmte die Urteilsfunktion das formale Prinzip 
des Erkennens, während die Ichheit das Prinzip der Inhaltlichkeit 
war. Dem Bewußtsein müssen die Wahrnehmungsinhalte gegeben 
sein, um sie als Gegenstände erkennen zu können. Dieses Gegebensein 
drückt eine bestimmte erkenntnistheoretische Eigentümlichkeit der 
Inhalte aus, die von sich aus noch nicht das Dasein eines Etwas for- 
dert, das dem Bewußtsein diese Inhalte gibt. Gegebensein bedeutet 
nur ein Inhalt sein, nämlich ein denkbarer Inhalt oder ein Inhalt, der 
den Normen der Gültigkeit zugänglich sein muß. Dieser Begriff des 
Gegebenseins, der allen Erfahrungsinhalten zukommt, darf nicht als 
eine transzendentale Kategorie des Erfahrungsgegenstandes ausge- 
deutet werden. Das Gegebensein ist nur eine das Gegensätzliche zur 
Urteilsgesetzlichkeit an jedem Erkenntnisinhalt heraushebende For- 
mulierung für die Ichbezogenheit jeder Erkenntnis. Diese Gegensätz- 
lichkeit läßt sich dahin ausdrücken, daß sie in Rücksicht auf das Be- 
sondere jedes Erkenntnisinhaltes verhindert, diesen besonderen In- 
halt aus den Gesetzen des Urteils irgendwie ableiten zu können. Es 
besteht angesichts der nur in den Prinzipien liegenden Korrelation 
zwischen Ichheit und Urteil keine Möglichkeit, die einzelnen Erfah- 
rungsinhalte aus den Urteilsgesetzen, also etwas weiter gefaßt, aus der 
formalen und transzendentalen Logik durch die Methoden des Schlie- 
ßens ableiten zu können. 
Diese Gegebenheit besagt noch ein weiteres. Weil der Inhalt gege- 
ben ist, also die Gesamtheit der Beziehungen, die er möglicherweise 
enthält, erst durch eine sukzessive Analyse erkannt werden kann, die 
keinen Abschluß voraussehen läßt, so folgt aus der Gegebenheit die 
Möglichkeit, ja Notwendigkeit eines niemals abbrechenden Weiter- 
schreitens der Erkenntnis. Man kann diesen Sachverhalt auch mittels 
der Beziehungen zwischen den Begriffspaaren der Notwendigkeit und 
der Zufälligkeit oder des Rationalen und Irrationalen ausdrücken. 
In jedem Inhalt ist bei aller Notwendigkeit ein Zufallsmoment ent- 
halten, das auch durch eine noch so tief und weit vordringende Ana- 
lyse niemals völlig beseitigt werden kann. Es gibt in der Welt der 
Begriffe keine letzten, nicht weiter auflösbaren Einheiten; die Er- 
kenntnisinhalte sind trotz aller Rationalität für ein empirisches, er- 
kennendes Ich stets, und zwar prinzipiell irrational. 
Es ist wiederum nur eine andere Wendung dieser alogischen Natur 
aller Erkenntnis, wenn sich hieraus ergibt, daß der Irrtum eine prin- 
zipielle Notwendigkeit für alle Erkenntnis darstellt. Kant bestimmt 
die Erfahrungserkenntnis oder vielmehr die ihren logischen Zusam- 
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