Full text: Kant

) Das Bedeutungserlebnis ist eben immer nur werdender Begriff, aber 
6 nicht endgültig abgeschlossene Begriffsbestimmtheit. Vermöge dieser 
“ Beziehung des Bedeutungserlebnisses zu gültigem Sinn aber bestimmt 
S sich die Aufeinanderfolge von Erlebnissen nicht durch Kausalität, 
% sondern durch Sinnkontinuität. Die Antwort auf das Frageerlebnis 
bestimmt sich durch den überzeitlichen Sinn der Frage, nicht aber 
8 nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Im Bereich dieser ich- 
Ss haften Sinngliederung der Vorstellung kann Kausalität keine gegen- 
a standbestimmende Funktion haben. Kausalität ist sinnindifferent, 
f daher ist die Sinnkontinuität zugleich kausalindifferent. Die Ordnun- 
gen des Gültigen sind ursachefrei. Wäre das Denken gültigen Sinn- 
gehalts nur von der Kausalität bedingt, dann müßte das Denken 
irgendeines Wahrheitszusammenhanges ein bloßer Zufall sein, weil 
die durch die Kausalität bestimmte Richtung des Geschehens indiffe- 
rent ist gegenüber dem durch den Sinn bedingten Zusammenhang 
psychischer Akte. Wären auf der anderen Seite die Denkprozesse nur 
von den Normen der Wahrheit beherrscht, dann gäbe es keinen Irr- 
tum. Das Denken ist daher zwar jederzeit imstande, sich frei nach 
den Normen des Gültigen zu richten, aber es besitzt darin keine abso- 
5 lute Freiheit, sondern nur eine relative, durch die „Sinnlichkeit“ des 
„ psychischen Geschehens begrenzte. Die Freiheit wird immer, aber 
7 sie ist niemals. Freiheit und Kausalität bilden in bezug auf das psy- 
chische Geschehen eine gradhaft abstufbare Korrelation von funk- 
. tionellem Charakter. 
n 3. Wer sittlich handeln will, muß zuerst sittlich denken können. 
; Lassen wir Kant selbst zur Begründung dieser Behauptung zu Worte 
kommen: „Dieses Sollen nun drückt eine mögliche Handlung aus, 
davon der Grund nichts anders als ein bloßer Begriff ist, da hingegen 
von einer bloßen Naturhandlung der Grund jederzeit eine Erschei- 
nung sein muß.“ (III, 371.) Und ferner: „Der Wille wird als ein Ver- 
mögen gedacht, der Vorstellung gewisser Gesetze gemäß sich selbst 
zum Handeln zu bestimmen“ (IV, 427). Das Handeln ist ein Gestalten 
; des Wirklichen, das nicht in den Lauf des naturgegenständlichen Ge- 
) schehens eingreift. Es ist ein Gestalten, dessen Gesetz einer gültigen 
; Ordnung entstammt, die nicht naturhaft ist. Das Ziel des Handelns 
muß ja Verwirklichung der Kulturordnung, also Verwirklichung 
aller gültigen Werte sein. So erst gewinnt das Gültige seinen Eigen- 
wert. Daher muß eine eindeutige Beziehung zwischen dem Wirk- 
lichen als dem Materiale alles Gestaltens und den gültigen Ordnungen
	        
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