4. Der Ursprung der Freiheit ist jetzt festgestellt. Der intelligible
Charakter hat seine psychologische Deutung erfahren, die uns in die
Prinzipien der psychischen Tatsächlichkeit, d. h. des empirischen Be-
wußtseins hineinführte. Das Moralische ist aus der Abgeschlossenheit
des Dinges an sich wieder zurückversetzt in den lebendigen Strom
des Geschehens. Durch das Bedeutungserlebnis wird es mit dem Wirk-
lichen verknüpft, Ja es bildet eine Korrelation zwischen Gültigem und
Wirklichem. Die Freiheit ist die Möglichkeitsfunktion des Prozesses
geworden, das Wirkliche gemäß den Normen des Gültigen zu gestal-
ten. Wir wissen aber bereits, daß dieses Richtungsmoment im Frei-
heitsbegriff nichts anderes als seine Kulturbezogenheit ausdrückt. Die
Kulturbedeutung der Freiheit ist daher begründet in der Achtung
vor den Kulturnormen, in der sich das Gültige mit dem Wirklichen
kraft der Korrelation zwischen Gültigem und Bedeutungserlebnis ver-
knüpft. Die logische Sinnkontinuität des Psychischen ist der letzte
Punkt des Freiheitsgedankens; innerhalb ihrer Gesetzlichkeit ringt sie
sich im dynamischen Prozeß allmählich durch. Die Freiheit ist daher
das Möglichkeitsprinzip des Kulturwerdens. Ohne Freiheit könnte
das Sollen niemals irgendwelche Gestaltungskraft über das Wirkliche
gewinnen. Die Freiheit gestaltet dadurch geradezu den Entwicklungs-
prozeß der Weltgeschichte; sie wird, sofern sie Freiheit zur Verwirk-
lichung der Kulturwerte ist und sein muß, zum Ziele der Weltentwick-
lung und damit mündet sie als Prinzip der späteren Geschichtskon-
struktionen, namentlich bei Hegel, ein in das System der Grundbe-
griffe des deutschen Idealismus, die sich ihre lebendige Tragkraft,
d. h. ihre überzeitliche Bedeutung für immer bewahren.
Wenn das Kulturleben Einzelmächte wie die Gesellschaft, das Recht,
Wirtschaft, Handel und Verkehr, Kunst, religiöses Gemeinschafts-
leben, wissenschaftliche Körperschaften aus sich hat emporwachsen
lassen, von denen jede darnach strebt, sich zu selbständiger und
eigentümlicher Struktur auszubilden, so ist diese Struktur durch die
Freiheit im positiven Verstande bedingt. Sie strömt gleichsam aus
der Freiheit, die geöffnet ist den möglichen Sinngefügen, in denen
sich Gültiges darzustellen vermag. Ideelle Zusammenhänge theoreti-
scher Herkunft mit logischem Eigengefüge senken sich in die Mannig-
faltigkeit des Wirklichen als geschichtlich wirksame Geistesmächte
ein und bringen durch ihre Gestaltungskraft jene eigentümlichen
Wertstrukturen hervor. Die Möglichkeit dieser Korrelation zwischen
dem objektiven beseelten Geiste und der blinden Subjektivität der
Natur ist der Sinn der Freiheit.
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