Full text: Kant

des Praktischen, aufgehoben. Diese beiden Gegenstandsweisen aber 
als höchste Kulturwerte zu fordern und sie damit zu Gliedern einer 
Rangordnung zu machen, zerstört nicht ihre theoretische Autonomie. 
Denn die Rangordnung bedeutet keine Überordnung oder Neben- 
ordnung im objektiv-theoretischen Sinne, sondern sie hat eine Be- 
ziehung auf das empirische Ich, die jenseits der theoretischen Ich- 
beziehung alles Gegenständlichen liegt, indem sie Bewußtseinseinheit 
von den Werten verlangt, um handeln zu können. Sie bedeutet die 
Möglichkeit einer Ordnungseinheit, deren Ordnungscharakter ein An- 
ordnen, ein Gestalten des Wirklichen nach den Gesichtspunkten von 
Zweck und Mittel gemäß theoretischen Normen ist. Doch versinkt 
die Rangordnung dabei nicht ins Subjektiv-Psychologische, wie die 
weiteren Betrachtungen zeigen werden. 
Das Überempirische am Prinzip des Kulturbewußtseins gewinnt so- 
gleich konkretere Gestalt, wenn wir uns auf diese Prinzipien der Ver- 
nunft, die uns schon früher begegnet sind, besinnen. Was nämlich 
macht denn den Inhalt dieser Vernunft mit ihrem Primat aus? Doch 
eben nichts anderes, als die drei Grundthemen der abendländischen 
Metaphysik, die Kant in den drei Ideen Gott, Welt und die Seele mit 
ihrer Freiheit zusammenfaßt. Wir hatten sie früher von der theore- 
tischen Problemstellung her als die letztabschließenden Einheiten des 
Erkennens festgestellt und dabei schon auf ihre Repräsentation der 
Kulturbeziehungen hingewiesen. Der praktische Primat aber läßt 
diese Repräsentation erst in ihrer tieferen Bedeutung erscheinen. Denn 
er verknüpft diese Ideen jetzt zu derjenigen Bewußtseinseinheit, kraft 
deren das Handeln für die Kultur und deren Verwirklichung über- 
haupt erst möglich wird. Und dies im doppelten Sinne der theoreti- 
schen wie der praktischen Möglichkeit. Weil und sofern alles rich- 
tungbestimmte Handeln von Begriffen aus seinen Anfang nimmt, ist 
es an die persönliche Rangordnung der Kulturwertordnungen gebun- 
den, d.h. durch sie bestimmt. Zum Begriff des richtungbestimmten 
Handelns gehört daher als objektives Korrelat der persönlichen Wert- 
rangordnung, als deren wesentlichen Träger wir die Seele bezeichnet 
hatten (S. 95), die Welt als Kultureinheit. Der Primat der prakti- 
schen Vernunft bedeutet die theoretische Bewußtseinseinheit dieser 
ichhaften und objektiven Rangordnungstotalität der Werte und ist 
also insofern die theoretische Möglichkeit des Tuns. Aber in ihm ent- 
faltet sich auch die praktische, sagen wir hier einmal, die physische 
Möglichkeit dieses Tuns. Denn nur weil und sofern das empirische 
Individuum sich dieser Einheit der Wertrangordnung bewußt wird, 
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