Religion, sondern die geschichtliche Bedingtheit der Grenzen, die Kant
zieht, besteht darin, daß er seine Problemstellung nicht auf die Ge-
samtheit der möglichen Problematik der Religion ausgeweitet wissen
wollte. Er stellt nur das Gültigkeitsproblem, nur die Art des Wahr-
heitsgehaltes will er festlegen, aber diesen nun allerdings in seiner
möglichen Allgemeinheit. Der Begrenzung des Problems entspricht die
volle Weite der Methode.
Weil Kant das Irrationale der Religion durchaus anerkennt, und in
seinem Eigensein beläßt — das radikale Böse der menschlichen Natur,
wie die sich hieraus ergebende Erlösungssehnsucht und die Wieder-
herstellung der ursprünglichen Anlage zum Guten in ihre Kraft, „das
übersteigt alle unsere Begriffe‘ —, ist sein Gottesbegriff im Rahmen
der Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft nicht mit
dem moralischen Gottesbegriff der praktischen Vernunft identisch,
nicht also ein metaphysischer Begriff, sondern ein spezifisch religiöser
Gott. Die geheimnisvolle, weil nur erlebbare, nicht unmittelbar begriff-
lich faßbare unio mystica der Seele mit Gott, wie der Pietismus sich
den Erlösungsvorgang dachte, ist in Kant doch so lebendig, daß er an
diesem Punkte der Bewegung seines analysierenden Denkens keinen
Raum mehr gewährt. Man pflegt Kants moralische Begriffsbildungen
ohne weiteres in seine Religionsphilosophie zu übertragen. Gewiß
sichert sich Kant die Existenz der religiösen Gegenstände durch das
System seiner Moral und Metaphysik. Aber das eigentümliche Sein
Gottes wird erst in der Religionsphilosophie entwickelt, die aber ihrer
Aufgabe nach nicht mit der Aufstellung eines besonderen Typus von
Religion verwechselt werden darf. Allerdings geht nun Kant in der
Entfaltung der Eigentümlichkeit des religiösen Gottesbegriffs und
seiner Verbindung mit dem empirischen Individuum in der Richtung
auf seine konkrete Bestimmung zu weit, indem er aus dem Konfessio-
nalismus, dem er von Jugend auf angehörte, dem protestantischen
Pietismus, zeitlich bedingte Momente entnahm, die den Ewigkeits-
gehalt der religiösen Begriffe zugunsten einer möglichst reichen Ge-
staltung trüben mußten. Man wird indessen dieses Eingesenktsein in
die historische Relativität verzeihlich finden, wenn man sich der dabei
wirksamen überzeitlichen Tendenz des kantischen Denkens, das
Religiöse vom Metaphysischen abzutrennen, bewußt wird. Kant wollte
und durfte an der subjektiven Mannigfaltigkeit der Glaubensphäno-
mene nicht vorübergehen; weil er die Frage nach dem Wahrheits-
gehalt in voller Allgemeinheit gestellt wissen wollte, mußte er ver-
suchen, den konkreten Gehalt religiösen Erlebens soweit wie möglich
[58