vollen Allgemeinheit genommen. Die Gestaltung der religionspsycho-
logischen Methode mußte sich infolgedessen, bewußt oder unbewußt,
an der kulturphilosophischen Methode orientieren. So fordert Troeltsch
wieder ein Apriori der Vernunft”, dessen Aufgabe in ihrer Mannig-
faltigkeit Wobbermin* dahin bestimmt, „die religiösen Motive der ge-
schichtlich gegebenen Ausdrucksformen des religiösen Bewußtseins
in ihrer Reinheit zu erfassen“. Diese geschichtlich gegebenen Formen
aber sind Teilgebiete des Kulturbewußtseins und dessen historischer
Entwicklung. Und Hermann Siebeck* sucht den gegenständlichen
Gehalt der Religion darzutun, indem er sie als notwendiges einheit-
gebendes Moment der Persönlichkeit auffaßt, sofern Persönlichkeit
ichzentrierte Gestalt des Kulturbewußtseins ist.
6. Suchen wir uns aber der letzten tragenden Prinzipien dieser
religionsphilosophischen Methoden zu versichern, so münden wir
wieder bei Kants Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
ein, indem wir sie als Versuch der Bestimmung der Kulturreligion
interpretieren. Indem wir uns jetzt dieser Aufgabe zuwenden, sei noch
einmal, aber unter dem jetzt gewonnenen umfassenderen Gesichts-
punkte, dem bekannten Einwande der Rationalisierung der Religion
durch Kants Problemstellung begegnet. Kant will den Wahrheits-
gehalt der Religion schlechthin feststellen und zwar seiner Form wie
seinem Inhalte nach. Nicht um diese oder jene bestimmte, besondere
geschichtliche Religion geht es dabei, wenn auch Kant sein Material
vorwiegend dem protestantischen Pietismus entnommen hat, sondern
der Gültigkeitsgehalt des Religiösen schlechthin steht zur Diskussion.
Daß dieser Gehalt in der am meisten „vollkommenen“‘‘ Religion des
Christentums am besten zum Ausdruck kommt, braucht bei Kant als
eine nur das Material seiner Analysen betreffende Voraussetzung nicht
beanstandet zu werden. Die Mannigfaltigkeit religiöser Erlebnisse
liegt daher überhaupt nicht in der Richtung seiner Fragestellung. Die
feinen Schattierungen, die beispielsweise Rudolf Otto im Erlebnis des
Heiligen herausliest, fehlen in Kants Darstellung gänzlich. Das
Irrationale des Erlebens also mußte Kant schon kraft der Richtung
seines Problems ausschalten. Aber die Irrationalität des religiösen Ge-
genstandes bleibt bei ihm unangetastet. Denn sie kann nur die Bedeu-
tung haben, ihn als spezifisch religiösen Gegenstand zu analysieren.
Analyse muß immer die begriffliche Bestimmungsmöglichkeit voraus-
setzen. Diese Möglichkeit begrifflicher Bestimmung gilt nun aber
gegenüber jedwedem Inhalte überhaupt. Mehr aber will Kant auch
nicht leisten. Weder ist es ißhm um eine Deduktion des Inhaltes reli-
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