denn in einer Uhr ist jeder Teil „das Werkzeug der Bewegung der
anderen“, ist also nur durch die Beziehung auf das Ganze möglich.
Daher wird zweitens erfordert, „daß die Theile desselben sich dadurch
zur Einheit eines Ganzen verbinden, daß sie voneinander wechsel-
seitig Ursache und Wirkung ihrer Form” sind. Denn auf solche Weise
ist es allein möglich, daß umgekehrt (wechselseitig) die Idee des
Ganzen wiederum die Form und Verbindung aller Theile bestimme:
nicht als Ursache —- denn da wäre es ein Kunstproduct —, sondern
als Erkenntnisgrund der systematischen Einheit der Form und Ver-
bindung alles Mannigfaltigen, was in der gegebenen Materie enthalten
ist, für den, der es beurtheilt.“ Jeder Teil ist nicht nur durch alle ande-
ren daseiend, sondern auch um der anderen und des Ganzen willen
existierend zu denken; und zwar so, daß er die anderen Teile selb-
ständig hervorbringt, d, h. ohne kausale Einwirkung von allem, was
außerhalb des ganzen Organismus liegt. (V, 373/74.)
Schon an diesen Fassungen Kants ist zu spüren, daß der mensch-
liche Zweckbegriff in seiner vorhin entwickelten Eigenstruktur stark
zurücktritt. Immerhin hält ihn Kant fest, wenn er die Idee des Ganzen
als Erkenntnisgrund die Teile bestimmen läßt. Der fruchtbare Kern
darin aber, der Ganzheitsgedanke, ist von der Methodologie unserer
Tage zum logischen Grundbegriff des Organismus gemacht worden.
Es ist besonders H. Driesch, der unter Beseitigung der dem Zweck-
begriff anhaftenden Subjektivitäten Ganzheitsfunktionen zur Charak-
terisierung der Aufrechterhaltnug der Ganzheit des einzelnen Organis-
mus durch seine Eigenkräfte verwendet. Wenn aber versucht wird,
diese Ganzheit völlig von aller psychischen Bedingtheit loszureißen,
wenn etwa mit Ungerer” die Definition des Organischen in der Form
auftritt: „Der Organismus ist ein Naturding ..., bei dem ein großer
Teil der Vorgänge so verläuft, daß sie die Erhaltung der Ganzheit
dieses Naturdings bedingen oder zur Erzeugung und Erhaltung von
Naturdingen derselben Art führen,“ so bleibt es fraglich, ob nicht
doch auch sowohl inbezug auf die Vorgänge wie auch die Gestalt des
Organismus sinnhafte Richtungsmomente angenommen werden
müssen, nach denen sich das organische Geschehen richtet, ob also
die Zweckbetrachtung auf der ganzen Linie ausgeschaltet werden darf.
Kant behält sie jedenfalls bei, schon darum, weil er im Sinnbezug
des Zweckes eine Möglichkeit in der Hand hat, um die Vereinbarkeit
von kausalmechanischem Ablauf der Naturerscheinungen mit der
unter der Ganzheitsbedingung sich vollziehenden autonomen Gestal-
tungsweise der Organismen zu begründen, denn für ihn muß „noch
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