standbegriffs erreicht, indem ihn Kant als das Wirkliche schlecht-
hin definiert.
An diesem Punkte gewinnt der auf den Buchstaben des theoreti-
schen Hauptwerkes gegründete Gegenstandsbegriff sein größtes Aus-
maß, seine größte Gebietsweite. Er umfaßt alles Wirkliche, ein-
schließlich der psychischen Erscheinungswelt. Die sinnliche An-
schauung bedeutet aber für ihn die absolute Grenze. Jenseits dieser
sinnlichen Erfahrung steht das unerkennbare Ding an sich. Sachlich
indessen betrachtet, bleibt Kant bei dieser Grenzfestsetzung nicht
stehen. Vielmehr beobachten wir eine ständige Erweiterung des Be-
reichs der Gegenstände, die die Grenze der sinnlichen Erfahrung prin-
zipiell ignoriert. Diese Erweiterung des gegenständlichen Feldes
mußte sich Kant aufdrängen, als er neue Gegenstandsgebiete, d. h.
Inhalte, die nicht dem Kreise der sinnlichen Wahrnehmungen einge-
reiht werden konnten, die aber dennoch durchaus gegenständliche
Gültigkeit besaßen, entdeckte. Um seinen bisherigen Gegenstands-
begriff nicht zu gefährden, findet Kant den Ausweg der „praktischen“
Erkenntnisweise und stellt zunächst eine unüberbrückbare Kluft zwi-
schen den sinnlichen Erfahrungsgegenständen und den moralischen
Gegenständen auf. Methodisch charakterisiert Kant den Unterschied
der Erfahrungsgegenstände und der moralischen Welt durch die Ent-
gegensetzung von sinnlich und intelligibel. Bei aller theoretischen Un-
erkennbarkeit dieser intelligiblen Welt jedoch ist es gerade die Lei-
stung Kants, ihre Struktur zu erkennen und in den prinzipiellen Ge-
genstandsformen vor dem Auge der wissenschaftlichen Erkenntnis
auszubreiten. Die Grenze zwischen Erscheinung und Ding an sich ist
prinzipiell eingerissen, wenn auch methodologisch die Kluft zwischen
Naturgegenstand und Gesetz der Freiheit bestehen bleibt. Denn die
Gegenstände der Freiheit sind keine Naturgegenstände, sie sind un-
sinnlich, oder wie Kant immer noch sagt, übersinnlich. Das Ding an
sich ist aus dem dunklen Bereiche der Unerkennbarkeit in das Licht
der erkennenden Vernunft übergetreten und hat sich mit dem Inhalte
der Gesetzmäßigkeit der moralischen Gegenstände erfüllt. Die Un-
sinnlichkeit dieser Freiheitsgesetzlichkeit ist charakterisiert durch das
Sollen, das sich zur methodischen Bedeutung der Kategorien der mo-
ralischen Gegenstandsart zuspitzt. Im Sollen entdeckt Kant zugleich
das konstitutive Prinzip der objektiven Werte überhaupt. Da objek-
tive Werte den Begriff der Kultur bestimmen, so darf man, diese Ge-
dankengänge Kants gleichsam in ihrer eigenen Richtung über sich
hinaus erweiternd, im Sollen das Prinzip des Kulturgefüges und daher
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