Full text: Kant

Gleichwohl gibt er gewisse Inhalte im Hinblick auf unsere Kultur 
gelegentlich zu Ilustrationszwecken an. So, wenn er im Streit der 
Fakultäten die Frage aufwirft: „Welchen Ertrag wird der Fortschritt 
zum Besseren dem Menschengeschlecht abwerfen?‘“ Er antwortet: 
„Allmählich wird der Gewaltthätigkeit von Seiten der Mächtigen weni- 
ger, der Folgsamkeit in Ansehung der Gesetze mehr werden. Es wird 
etwa mehr Wohlthätigkeit, weniger Zank in Prozessen, mehr Zuver- 
lässigkeit im Worthalten usw. theils aus Ehrliebe, theils aus wohlver- 
standenem eigenen Vortheil im gemeinen Wesen entspringen und 
sich endlich dies auch auf die Völker im äußeren Verhältnis gegen- 
einander bis zur weltbürgerlichen Gesellschaft erstrecken, ohne daß 
dabei die moralische Grundlage im Menschengeschlechte im mindesten 
vergrößert werden darf.‘ „Denn wir müssen uns von Menschen in 
ihren Fortschritten zum Besseren auch nicht zu viel versprechen.“ 
(VII, 91/92.) Der besondere Inhalt bestimmt sich stets nur im Hinblick 
auf einen gegebenen Kulturzustand. 
Die Grundwerte üben ihre formale Funktion gegenüber dem Ge- 
samtinhalt der Welt aus und zwar jeder einzelne unabhängig vom 
anderen. Jeder Grundwert hat daher universale Reichweite, wie schon 
aus seinem Kategoriencharakter hervorgeht, den er als Grundgegen- 
standsart in der wissenschaftlichen Philosophie besitzt. Jeder Inhalt 
ist erkennbar, jeder kann an den Schönheitsnormen gemessen, am 
moralischen Gesetz gewertet werden, kann religiös gefühlt werden. 
Daher greifen die Maßstabfunktionen hinsichtlich der Inhalte inein- 
ander. Die Grundwerte besitzen universale Verschränktheit, weil jeder 
der letzte Maßstab in bezug auf alle möglichen Inhalte ist. E. Spranger 
hat in seinen tiefsinnigen Untersuchungen diese Struktur der Grund- 
werte von der psychologischen Seite her erschlossen: „In jedem gei- 
stigen Akt waltet die Totalität des Geistes”.‘“ Die formale Funktion, 
die er besonders an dem ethischen Werte herausarbeitet, gilt für alle 
Grundwerte, Darum ist keiner der absolut höchste. Dennoch gibt es 
einen höchsten Wert, aber nur als Ganzheit aller Grundwerte, nämlich 
Gott. Kant macht im Primat der praktischen Vernunft einen Grund- 
wert zum höchsten, weil er in ihm den Wert schlechthin erkennt. 
Die Metaphysik gibt also in theoretisch-wissenschaftlicher Form 
die letzten Maßstäbe einer bestimmten Kulturepoche und schließt 
diese dadurch von anderen Epochen ab, wie sie zugleich ihre univer- 
salhistorische Bedeutung angibt. Gerade dadurch aber gewinnt sie 
überzeitlichen Gehalt, sodaß sie ihrer wertformalen Struktur nach 
überzeitlich gültig ist. Dieser theoretischen Besinnung auf die letzten 
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