dem Titel des Verstandes und stellt es damit in eine bestimmte Be-
ziehung zum Kulturwert der Wahrheit. Wahrheit ist für Kant wer-
dender Gedanke, ist schöpferisches Erzeugnis des empirischen Ich
und doch zugleich überindividuell und überzeitlich Gültiges.
3. Wahrheit ist indessen nicht die einzige, die Menschheit zur Kul-
tureinheit zusammenfassende Größe. Für das Handeln als die Ent-
ladung des selbständigen Gestaltungstriebes des Ich ist die Erkennt-
nis sekundär; sie ordnet sich als notwendiges Mittel der Struktur des
Handelns ein. Das Handeln ist wertindifferent, solange es planlos ist.
Erst Richtungsbestimmtheit unterstellt es der Wertung und nur wenn
das Ziel objektiv gültig ist, ist die Gesetzlichkeit des Handelns ob jektiv
gültig und gewinnt das Handeln einen objektiven Wert, d. h. einen
Wert für die Kultur. So kann das Handeln einen Wert gewinnen, der
sich anscheinend noch über die Einheitsfunktion der Erkenntnis und
der Wahrheit hinaufschwingt. Seine objektive Bestimmtheit als wert-
volles Handeln erfährt es im Prinzip durch die Struktur des Sittlichen.
Das Gesetz des sittlichen Handelns wird so zu einer universalen, die
ganze Menschheit bestimmenden und dabei über ihrem Tun stehen-
den Einheit, zu einer Kulturidee, die einen für alle Kultur konstitu-
tiven Wert besitzt. Sofern dies Gesetz das menschliche Handeln aus-
nahmslos zur Objektivität erhebt, wenn auch in Wirklichkeit seiner
Norm gemäß niemals tatsächlich gehandelt werden mag, ist es als
Gesetzesfunktion von einer Seinsart, die jenseits von aller Zufälligkeit
und individuellen Begrenztheit des Subjekts steht. Somit kommt dem
Gesetz des Handelns eine ähnliche Doppelfunktion zu, wie der Wahr-
heit als Kulturwert. Trotz der gegenständlichen Funktion weist das
Gesetz des Handelns ebenso wie die Erkenntnis zurück auf das Sub-
jekt vermöge seines Zusammenhanges mit dem Willen des Indivi-
duums. Wie für die Wahrheit der Verstand ihr subjektives Prinzip
bedeutete, so stellt für die Sittlichkeit der Wille, genommen als Prinzip
des individuellen Handelns, also der durch die Sittlichkeit als Idee
motivierte Wille die Beziehungen der objektiven Norm zum Subjekt
her.
Religiöses Gefühl und ästhetische Schau treten als weitere, die ge-
samte Menschheit vereinigende, gedankliche normative Einheiten hin-
zu, ihr Eingesenktsein in die individuellen Gesetze des Ich in stärke-
rem Maße als jene bekundend, aber doch in der Sphäre des Gültigen
hangend.
Es ist die Eigentümlichkeit dieser Ideen, daß sie die Tendenz in
sich tragen, sich für jedes Einzelbewußtsein als der gleiche Inhalt
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