aber in den unabweisbaren Forderungen der Vernunft liegt, den Kul-
turprozeß in einer letzten Ganzheit zusammenfassend verstehen zu
können. In diesem normativen Kulturbegriff kommt am schärfsten
das Absolute, der Ewigkeitsgehalt in der Kultur, zum Vorschein.
Schließlich kann das Normative am Kulturgedanken noch schärfer
herausgestellt werden. im Begriff des Kulturideals. Dann ist Kultur
die Richtung des niemals zu Ende gehenden, aber stets gesollten Pro-
zesses der Wertverwirklichung. Auch dieser Begriff gehört der meta-
physischen Sphäre an. Das schließt keineswegs die Möglichkeit aus,
ihn im Rahmen philosophischer oder gar geschichtswissenschaftlicher
Fragestellungen verwenden zu müssen.
Streng zu scheiden von diesen Kulturbegriffen ist das Problem der
Zivilisation. Die Zivilisation ist zwar ebenfalls ein System von mensch-
lichen Veranstaltungen, die unter den Bedingungen von Zwecken und
Mitteln und mittelbar unter den Gesetzen der Naturwirklichkeit
stehen. Die obersten Zwecke der Zivilisation aber entbehren der un-
bedingten Gültigkeit, ja überhaupt der Gültigkeit. Sie sind zwar als
eudämonistische Ziele vielfach geltend, aber eben darum subjektiv
bedingt. Diese ökonomischen Werte, um die es in der Zivilisation
geht, die freilich mit ästhetischen oder sittlichen Werten verflochten
sein können, sind innerhalb des Gefüges der Kultur immer nur Mittel
zur Erreichung der unbedingten Werte, dürfen vom Kulturstandpunkt
aus immer nur als sekundäre Hilfswerte angesehen werden. Daher
besitzt die Zivilisation keinen Ewigkeitsgehalt wie die Kultur. Dieser
mindere Objektivitätsgehalt schließt aber natürlich nicht aus, daß sie
im historischen Leben der Völker eine überaus bedeutsame Erschei-
nung ist, die als subjektives Regulativ der historischen Entwicklung
auftreten kann.
7. Im Kulturbegriff stehen die letzten Werte nicht nebeneinander,
sondern verbunden zu einer geschlossenen Ganzheit. J egliches Kultur-
Normprinzip ist einheitliche Rangordnung der Kulturwerte. Die prak-
tischen Ziele vereinigen sich zu einer organischen Rangeinheit, und
diese Ganzheit erlaubt es, die einzelnen Kulturen ihrer inneren Struk-
tur nach mit organischen Lebensganzheiten zu vergleichen, wie
Spengler in einer sie freilich allzu nahe an die biologischen Ganz-
heiten heranrückenden Weise in seinem Untergang des Abendlandes
gesehen hat. Wohl bedeutete uns die Weltanschauung eine solche
Ganzheit von Werten. Aber der Weltanschauung fehlt der objektive
Aufbau der Werte. Sie ist nicht objektive Rangordnung, sondern nach
subjektiven Maßstäben gegliederte Ichganzheit von Werten. Die Werte
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