Full text: Kant

gleich das Prinzip der englischen Philosophie, die auch als Empiris- 
mus bezeichnet wird, nach der methodischen Seite hin zu betonen. 
Beiden Äußerungen der damaligen Kulturseele ist es eigentümlich, 
daß sie Erkenntnismethoden zum Gestaltprinzip machen. Vermöge 
ihrer metaphysischen Ganzheitsfunktionen bestimmen diese Methoden 
den gesamten Weltgehalt und die Art seiner Objektivität. Während 
oft in metaphysischen Systemen die Erkenntnismethoden sich nach 
den Maßstäben letzter dogmatischer Werte in ihrer Struktur richten, 
bestimmt im Rationalismus und Sensualismus umgekehrt die Erkennt- 
nismethode den Gehalt der letzten Werte, die erkenntnistheoretische 
Gestalt bestimmt den Gehalt des Universums. 
Im Rationalismus ist alleiniges Wahrheitskriterium und schöpfe- 
risches Erzeugungsprinzip das logische, begriffliche Denken in seiner 
deduktiven Methode, aus dem Allgemeinen das Besondere abzuleiten. 
Ihm gegenüber sinkt die Empfindung, der Sinneseindruck, zu einem 
völlig kriterienlosen Material herab, das nichts zur Entscheidung der 
Wahrheit beiträgt und nur sekundär den Inhalt der Erkenntnis her- 
gibt. Diese einseitige Wert- und Bedeutungssteigerung des deduktiven 
Denkens hat zur Folge, daß die Stellung unseres Erkenntnisvermö- 
gens und der ihm als gegeben vorausgesetzten Allgemeinbegriffe den 
Dingen gegenüber sich in einer absoluten Herrschaft über die Gestal- 
tung der Dinge ausdrückt. Die Moralprinzipien leiten sich vielfach 
aus den dogmatischen Grundbegriffen einer noch mittelalterlich ge- 
färbten Religiosität ab und zeigen ein dem Leben und seinem freudigen 
Sinnengenuß abgewandtes Gepräge. 
Vier Gesichtspunkte seien herausgehoben: 
Der Wahrheitswert unserer Erkenntnis der Gegenstände hängt 
nicht von einer wechselseitigen Beziehung ab, die zwischen dem er- 
kennenden Ich und den Dingen gilt, sondern allein von den logischen 
Prozessen unseres Ichs. Diese logischen Prozesse, das logische Schlie- 
ßen nach den Gesetzen der formalen Logik, die die Allgemeinbegriffe 
als gegebene statische Einheiten voraussetzt, aus denen jede beson- 
dere Wahrheit abgeleitet werden kann, erzeugen geradezu die Wahr- 
heiten über die Dinge. Aus den Begriffen der Dinge, die als vom Den- 
ken selbst gebildet hingenommen werden, leitet die Selbstgesetzlich- 
keit der rationalen Vernunft alle nur mögliche Wahrheit über die 
Gegenstände ab. Alle sinnlich gegebenen Erkenntniselemente werden 
dabei entweder als täuschender Schein ausgeschaltet oder als durch 
reines Denken erzeugt angesehen. Vom Inhalt der Erfahrung wird 
gefordert, daß er nach und zugleich aus den logischen Methoden ab- 
78
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.