n zu fassen sucht, in der deutschen Mystik wird diese Vereinigung, der
nn gotischen Seelennatur des Deutschen entsprechend, als eindynamischer
N Prozeß gedacht, der zwischen Gott und Seele, zwischen Welt und Ich
En trotz des unendlichen Wertunterschiedes beider eine gewisse Struktur-
N angemessenheit, eine heimliche Ähnlichkeit voraussetzt. Wenn die
a Seele sich in Gott oder in der Welt auflöst, so ist das werthaft geord-
nete Ganzheitsgefüge beider Komponenten das Verknüpfungsprinzip
N sine qua non, auch wenn die Seinsart Gottes mit den pantheistischen
Deutungen der Naturmystik ausgeflacht wird. Die Unio ist ohne diese
Analogie nicht denkbar. Oft ist die Richtung dieses Vereinigungs-
erlebnisses umgekehrt. Gott zieht in die Seele ein, wird durch die
schöpferische Seelenkraft geboren. Gott wird im „Seelengrund‘“ des
. mystischen Menschen geboren, und das „Seelenfünklein‘ ist der tief-
Y ste geheimnisvolle Punkt der Seele, der die Verbindung mit Gott
/ ermöglicht. So erklärt Eckehart: „Daß Gott ‚Gott‘ ist, dessen bin ich
eine Ursache*.“
Die Struktur der Seele wird damit beherrschend für die innere Ge-
stalt Gottes, wird beherrschend auch für das Weltgefüge. Die Mög-
lichkeit der kopernikanischen Wendung, die später Kant zum ersten
Male wirklich vollzog, kündet sich in diesen vom Standpunkte begriff-
licher Bestimmtheit aus freilich gegenständlich unklar gefaßten Er-
lebnissen an. Wenn die Mystik das Wesen der Seele, also das letzte
sie Bestimmende und von ihr Aussagbare, der menschlichen Bestimm-
barkeit entzogen wissen will, so wird darin die eigentümliche Irratio-
nalität des transzendentalen Ich bei Kant in Umrissen geahnt. Das
theoretische Ich als Bestimmungsprinzip gegenständlicher Gültigkeit
und Gliederung ist irrational, sofern es Kant logisch an den Anfang
aller urteilsmäßigen Bestimmung stellt.
Der besondere Inhalt im Sinngehalt des Erdendaseins, der theo-
retisch-wissenschaftliche wie willentlich-zweckhafte Sondergehalt,
wie er dem menschlichen Erkennen aufgeht und vom menschlichen
Triebleben, den höheren Willen hemmend, herkommt, wird im mysti-
schen Schauen Gottes zernichtet. Das Besondere der Weltinhalte, der
Erfahrungsinhalte, geht im allgemeinen Wesen der Gottheit auf. Be-
sonderes und Allgemeines vereinigen sich zu einem Ununterscheid-
baren; das Besondere der Anschauung und das Allgemeine des Be-
griffs laufen ineinander. Man spürt darin die Vorschau des absoluten
Verstandes, des intellectus intuitivus bei Kant. Wenn daher in schein-
bar ausschließender Gegensätzlichkeit der Inhalt dieses Schauens,
Gott selbst, von Dionysius Areopagita als Nichts, von Augustinus als
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