gonismus zwischen dem engeren und weiteren Gegenstandsbegriff
zieht sich durch das ganze System hindurch und bewirkt vor allem,
daß die Probleme des Sittlichen sich nicht dem bloß für die Natur-
wissenschaften abgeleiteten Gegenstandsbegriffe eingliedern lassen,
so daß Kant gezwungenermaßen zu „intelligiblen‘“, d. h. metaphysi-
schen Begriffsbildungen greifen muß.
3. Die Allgemeinheit des Begriffs, die im Rationalismus unverdiente
Siege feiert, und das Individuelle der Anschauung, das im Sensualis-
X mus gleichfalls ein unberechtigtes Herrscherdasein führt, werden
N durch Kant zu der höheren Einheit des kritisch gedachten Erfah-
rungsgegenstandes zusammengeschürzt. Am begrifflichen Bestandteil
a der Erkenntnis dringt Kant bis zum letzten Punkte vor, über den
hinaus keine Frage mehr gestellt werden kann. Aber auch die andere
Komponente der Erkenntnis, den anschaulichen Erlebnisbestandteil,
verfolgt er nicht bloß bis zu den sogenannten primären Qualitäten des
Sensualismus, sondern auch hier gelingt es ihm, den Punkt aufzu-
decken, über den hinaus keine Frage mehr verstattet ist: „Das ‚ich
denke‘ muß alle meine Vorstellungen begleiten können“ sagt der
Anfang des $ 16. Dieses „Ich denke“ ist der letzte Punkt. Was aber ist
> dieses Ich? Nicht mein tatsächliches Bewußtsein, nicht die Gesamtheit
meiner mir augenblicklich gegenwärtigen Inhalte, auch nicht die
2 Summe aller Inhalte, die ich je gedacht habe, überhaupt nicht die
T Tatsache, daß ich denke. Dann wäre Kant in dem Tatsächlichen der
; Psychologie stecken geblieben und hätte als Gültigkeitsprinzip eine,
" wenn auch besonders ausgezeichnete Tatsache vorausgesetzt. Tat-
© sachen aber bedürfen zu ihrer Begründung der gegenständlichen Prin-
zipien, die somit an dieser Tatsache stillschweigend und ohne Kritik
; vorausgesetzt worden wären. Daher ist auch nicht ein Vorstellungsakt
gemeint, der alle meine Vorstellungen tatsächlich begleitet. Das Ich
bedeutet hier überhaupt nichts Psychisch-Tatsächliches, sondern ist
die oberste Bedingung für alles, was psychische Tatsache, was mein
Bewußtseinsinhalt ist und sein kann. Es enthält das Prinzip der Er-
lebnismöglichkeit. Kant erklärt nämlich, daß dieses „Ich denke“ alle
meine Vorstellungen müsse begleiten können. In diesem bloßen Kön-
nen ist enthalten, daß das Ich nur als theoretische Möglichkeit der
psychischen Tatsache zu verstehen ist. Das Ich ist Möglichkeit für
mein Bewußtsein, also Prinzip für alles, was mein Inhalt genannt
werden kann. Andere Inhalte als meine habe ich aber überhaupt nicht.
Daher ist das Ich Prinzip für alle meine Inhalte. So wenig ich aber
alle Inhalte denke oder gedacht habe, so sehr hat mein Ich und jedes
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