nicht darin, die Wirklichkeit bloß als meine Vorstellung, als meine Be-
wußtseinswelt in allgemeinen Begriffen zu konstruieren. Vielmehr
weist er gerade nach, daß meine Bewußtseinswelt Gesetze der Ver-
knüpfung von Inhalten besitzt, die über diese psychische Wirklich-
keit hinaus ein anderes Reich von Gegenständen bestimmen, nämlich
eben die individuelle Naturwirklichkeit.
5. Das Gültigkeitsproblem für alle möglichen Gegenstände, für jeden
möglichen leitenden Kulturwert aufzulösen, ist die zentrale Aufgabe
Kants. Im Begriff der Wahrheit überhaupt, den die formale Logik
entfaltet, erkannten wir die eine Grundbedingung aller Gültigkeit. Da-
her muß die formale Logik eine führende Stelle beim Aufbau nicht
nur des Ganzen, sondern auch der einzelnen Gedankenreihen erhalten.
Wenn wir uns daher jetzt von der allgemeinen Grundlegung des Er-
kenntnisbegriffs, wie sie sich in der Entwicklung der Korrelativität
von Ichheit und Urteilsgesetzlichkeit vollzog, zum Aufbau seiner ein-
zelnen Stockwerke hinwenden, so müssen wir uns der Führung durch
die formale Logik überlassen. Der ganz allgemeine Begriff der Ge-
genständlichkeit muß jetzt eine bestimmte Richtung erhalten, näm-
lich die Richtung auf den Erfahrungsgegenstand nach seinen allge-
meinen Bedingungen. Es gilt, die Bestimmungselemente ausfindig zu
machen, die den Gegenstand als Gegenstand möglicher Erfahrung be-
stimmen. Daß Kant unter Erfahrung vornehmlich die sinnliche, d. h.
auf Empfindungen sich stützende Erfahrung versteht, war oben be-
reits hervorgehoben. Die Ableitung der verschiedenen Möglichkeiten,
den Erfahrungsgegenstand zu bestimmen, entnimmt Kant der formal-
logischen Einteilung der Urteile. Weil das Urteil den Gegenstand be-
stimmt, so muß die Art, wie im Urteil Subjekt und Prädikat sich zu
gültiger Einheit zusammenfügen, zugleich die Mannigfaltigkeit und
Verschiedenheit des gegenständlichen Seins der Erfahrungsinhalte
fixieren. Der bestimmende Begriff dieser Einheit ist die Kategorie, die
bei Kant also eine Doppelfunktion besitzt. Sie ist der Ausdruck der
formalen Verschiedenheit der Urteilsfunktion, wie sie das Prinzip
ihrer gegenständlichen Verschiedenheit bedeutet. „Dieselbe Function,
welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urtheile Einheit
giebt, die giebt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellun-
gen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der
reine Verstandesbegriff heißt.“ (III, 92.) In ihrer transzendentalen,
also gegenständlichen Bedeutung genommen, ist daher die Kategorie
das Entfaltungsprinzip der allgemeinen Ich- und Urteilskorrelation in
der Richtung auf seine möglichen Besonderungen. Fragt man also
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