Full text: Kant

schaft möglich, hat ihre Auflösung gefunden. Kant findet das System 
dieser Urteile und begründet zugleich deren Gültigkeit. 
8. Im Erfahrungsurteil wird der Wahrnehmungsinhalt in Zeit und 
Raum eingeordnet. Die Empfindung erhält eine bestimmte Stelle in 
den Ordnungen der Zeit und des Raumes. Indessen reicht diese Ein- 
gliederung zur erfahrungsgegenständlichen Einheit noch nicht aus. 
Das bloße zeitliche Nacheinander und zufällige räumliche Nebenein- 
ander von Empfindungsinhalten ergibt noch keinen notwendigen Zu- 
sammenhang unter den so angeordneten Inhalten. Erst wenn Emp- 
findungsinhalte zu anderen, ebenfalls der Zeit-Raumordnung angehö- 
renden Empfindungsinhalten in eine Beziehung gesetzt sind, die ge- 
genüber der ablaufenden Zeit und der Veränderlichkeit des Ortes sich 
entweder als unveränderlich oder als in bestimmter, notwendiger Weise 
veränderlich herausstellt, dann erhält dieser Inhalt gegenständliche 
Bedeutung. Das körperliche Atom, wiewohl es nur mittelbar Emp- 
findungsinhalt sein kann, stellt einen solchen Gegenstand dar, beson- 
ders aber der einzelne sich bewegende oder ruhende Körper. Er ist 
gegenüber der Änderung seiner Zeit- und Raumstellen ein Konstantes. 
Gewiß meint Kant mit seiner Substanzkategorie nicht eine Aussage 
über einen so speziellen Gegenstand der Mechanik, wie es der den 
mechanischen Gesetzen gehorchende, aus Atomen zusammengesetzte 
Körper ist, aber zweifellos ist die körperliche Substanz diejenige Er- 
fahrungstatsache der damaligen Naturwissenschaft, von der Kants 
wissenschaftliche Bestimmung des Erfahrungsgegenstandes seinen 
Ausgang nehmen mußte. Gerade damals fing der Satz von der Kon- 
stanz der mechanischen Materie an, erfahrungswissenschaftlich durch 
chemische und physikalische Messungen erhärtet und als allgemein- 
gültig erkannt zu werden. Dieser Satz gehört in die tiefere Schicht 
der synthetischen Urteile a posteriori. 
Kant aber will mit seinem Grundsatz von der Beharrlichkeit der 
Substanz den Erfahrungsgegenstand überhaupt konstituieren. Die 
Substanzkategorie bedeutet die gegenständliche Einheit überhaupt von 
Empfindungsinhalten; sie besagt, daß die im Raum und der Zeit an- 
geordneten Inhalte gesetzmäßig miteinander zusammenhängen. Die- 
sen Gedanken der Gesetzmäßigkeit der Empfindungsinhalte überhaupt 
besagt das Beharrlichsein der Substanz. Die Substanzkategorie be- 
stimmt den Gegenstand der Erfahrung, indem sie ihn, nach seinen 
Empfindungsinhalten betrachtet, als identisch mit sich selbst fordert. 
Sie drückt nach dieser Seite hin das Identitätsprinzip des sinnlich er- 
fahrbaren Gegenstandes aus. Identisch mit sich selbst sein bedeutet 
68
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.