Full text: Einführung in die Buchkunde

199 II. Das Buch und seine Teile 
sten Völkern, in allen Staaten, selbst bei den primitiven Stänmen t 
vor. Auch hier sind es die Geistlichen und die Ältesten des Volkes, X 
die über jede Ausschreitung zu Gericht sitzen; die religiösen 1 
Satzungen spielen immer die Hauptrolle. Auch Sokrates, den nur S( 
der Neid und Haß seiner wissenschaftlichen Kollegen vor die 
Schranken zwangen, büßte seine Lehre von der inneren göttlichen L 
Stimme, dem Daimonion, das man als eine neue Gottheit auslegte, N 
mit dem Tode, 
Als in Rom die Sitten verfielen und der Bücherschreiber immer P 
mehr wurden, die gegen das Bestehende ankämpften, mußte das g 
Kaisertum wiederholt dagegen Stellung nehmen, und Augustus, 1 
Tiberius, Nero, Domitian u. a. erließen Bücherverbote. Ovid, eines to 
der losesten Mäuler am römischen Hofe, wurde mit der Verban- 
nung bestraft und winselte an den Ufern des Schwarzen Meeres d. 
um Verzeihung. K 
Als das Christentum sich konsolidierte und ein Staat im Staate g' 
zu werden begann, war auch dieses zu Abwehrmaßregeln ge- al 
zwungen gegenüber allen Schriften, die seine Idee, seine Lehren 
und Dogmen in irgendeinem Punkte angriffen. Schon 150 erließ st 
die Synode der Bischöfe zu Ephesus, wo die Acta Pauli als un- CO 
echt erklärt wurden, 325 das Konzil von Nizäa Schriftenverbote. 
Im Mittelalter war die Kirche die Hüterin und Trägerin der U 
Kultur und der Wissenschaft, sie verbreitete die Bildung durch h: 
ihre Schulen, sie hütete die alten Handschriftenschätze und ver- 
mehrte sie durch Abschreiben und kunstvolle Herstellung der noch di 
jetzt viel bewunderten Manuskripte. Sie war auch politisch die ni 
größte Macht im Staate und mußte ihre Stellung gegen Angriffe be 
verteidigen, und seit Konstantin dem Großen galt auch jeder An- 
griff auf die Dogmen der Kirche zugleich als ein solcher auf den dı 
Staat, zumal mehrere dieser Versuche (Donatisten, Katharer, Wal- re 
denser) auch die gesellschaftliche Ordnung störten. Be 
Als Abwehrmittel gegen Häresie und Angriffe auf die kirch- 
lichen Lehren diente die Inquisition, die auf der Synode von Tou- Le 
louse 1229 als ein aus Geistlichen und Laien zusammengesetztes eı 
Untersuchungsgericht eingesetzt wurde. 1233 wurden in Deutsch- D 
land, Österreich, Frankreich, Oberitalien und Spanien die Domi- sa 
nikaner von Papst Gregor IX. mit der Führung dieses Amtes be- st 
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