300 IV. Einband
Lesezeichen
Bei dem Einband des XII. Jahrhunderts, der sich im Dom zu
Hildesheim befindet, stehen am vorderen Buchschnitt Leder-
knöpfe vor. Es sind dies Lederstreifen, die am Rande jener Blätter,
wo ein Hauptabschnitt beginnt, zum Zweck des leichten Auffin-
dens befestigt und dann zu Knöpfen verflochten sind, eine Art
Lesezeichen, die sich bis ins XV. Jahrhundert, bei Missalen auch
noch länger erhielten. Zu weiterer Unterscheidung wurden sie
verschieden bemalt.
Noch häufiger ist das Vorkommen von kleinen, glatt verlaufen-
den Leder- oder Pergamentstreifen, um jene Blätter zu bezeichnen,
die den Anfang eines neuen Buches oder wichtiger Kapitel tragen.
Besonders wurde das späterhin beliebt, als man mehrere Werke
desselben Verfassers oder ähnlichen Inhalts oder auch nur glei-
chen Formats in einem Bande vereinigte. In diesem Falle wurden
die Anfänge der einzelnen Adligate durch einen vorstehenden
Streifen bezeichnet.
Ähnlichen, wenn auch nicht ganz denselben Zweck wie diese
Register haben auch die im XV. Jahrhundert aufkommenden be-
weglichen Merkbänder, richtige Bänder, die oben durch einen
reich verzierten Bandhalter, tenaculum, vereinigt und dazu ver-
wendet wurden, irgendeine beliebige Stelle bei. Abbruch und
Wiederaufnahme der Lektüre zu bezeichnen.
Im XVII. und XIX. Jahrhundert tauchte die Sitte der beweg-
lichen Lesezeichen auf, die als Erinnerungsbänder unter Freunden
und Verliebten ausgetauscht wurden; in den achtziger Jahren des
XIX. Jahrhunderts begann man sie zur Reklame für das betref-
fende Buch, dann des ganzen Verlages, endlich als bloßen An-
noncenzettel für Lebens- und Feuerversicherung, Maggis Suppen-
würfel, Mattonis Gießhübler usw. zu verwenden.
Die dem Buch angebundenen Lesezeichen, d. h. das oben am
Buchrücken befestigte und bis über den unteren. Buchrand herab-
hängende Seidenband, der Nachkomme der Merkbänder des XV.
Jahrhunderts, sind nur in Büchern mit unterhaltendem Inhalt
üblich, die man mit. Unterbrechungen und in bequemer Lage,