für den nordöftlichen, der andere ift einfacher. Im Hauptgefchofs beider Bauten findet fich der durch die ganze
Länge und Breite des Gebäudes gehende Saal (in Torgau ungefähr 63». lang und ı2m. breit). Wenn {pätere
Befchreiber des Berliner Schloffes für diefen Raum auf ähnliche Anlagen im Lufthaufe zu Stuttgart (c. 55 zu 20m.)
und im Palazzo della Ragione in Padua (c. 81 zu 27”-) als Vorbilder verweifen, fo hat dies für das erftere
Werk keine Bedeutung, da jener, heute wieder verschwundene Bau erft im Jahre 1575 begonnen wurde.
Der Paduaner Juftizpalaft dagegen ftammt allerdings fchon aus der Zeit bald nach 1420. Vielleicht aber
dürfte fich jenes italienifche Werk eher auf nordifche Einflüsse zurückführen laffen als umgekehrt, wenigftens
kommen in Deutfchland derartige grosse Saalanlagen ziemlich häufig vor und finden hier eine naturgemäfse
Erklärung. Aus der grofsen Halle der mittelalterlichen Burgen entwickelte fich nämlich die noch bis fpät in’s
fiebzehnte Jahrhundert hinein wiederkehrende Vorliebe für aufserordentliche, nach heutigen Anfchauungen
übertriebene Weiträumigkeit der Hauptfäle, wobei im Norden die Rückficht auf die Erwärmung im Winter
and die mangelhaften Heizvorrichtungen oft hindernd auf die proportionelle Steigerung der Höhenmafse
wirkten. Nicht felten gab man defshalb jenen grofsen Sälen namentlich im nördlichen Deutfchland nur die
gewöhnliche Stockwerkshöhe, wodurch natürlich abfcheuliche Raumverhältniffe entftanden. Beifpiele bieten
der Torgauer und der Berliner Saal, letzterer höchftens fieben ein halb Meter hoch, der Moskowiter-Saal
im Schlofle zu Königsberg u. 1. w.
Auch die ftiliftifche Behandlung des Einzelnen weift den Berliner Bau in diefelbe Gruppe mit den
(fächfifchen, wie nur natürlich, da fächfifche Steinmetzen in Berlin arbeiteten. — Wo aber ift der Urfprung
diefer ganzen Schule zu fuchen, deren erftes gröfseres Beifpiel nur Torgau bildet?
Die reichere Entfaltung des Schlofsbaues hat an und für fich an den Höfen der damals alle Standes-
genoflen an Macht und Anfehen überragenden fächfifchen Kurfürften nichts befremdendes. Noch in gothifcher
Zeit (1471—83) entftand das gewaltige Schlofs zu Meifsen, die {päter fogenannte Albrechts-Burg, ein Kleinod
erften Ranges an Gröfse und Kunftwerth unter den mittelalterlichen Fürftenfitzen. Wo dann zuerft in diefen
Gegenden die Renaiflance an Profanbauten auftrat, ift heut nicht mehr nachzuweifen, wenigftens bis jetzt nicht
bekannt. In den Jahren 1530—1532 finden wir fie ziemlich gleichzeitig an drei Bauten zugleich, am Georgen-
flügel zu Dresden 1530, am Schloffe zu Deffau 1531, in Torgau 1532, alle drei Bauten eng mit einander verwandt.
Diefe ftiliftifche Uebereinftimmung bei ziemlich bedeutender räumlicher Trennung und faft gleicher Ent-
(tehungszeit läfst fich wohl nur durch das Zurückführen auf ein bis jetzt unbekanntes älteres Vorbild erklären.
Denn die Annahme, dafs das Georgenthor als der frühefte Bau auch das Vorbild der beiden anderen war, ift
bei der geringen Bedeutung deffelben nicht berechtigt; auch fehlen hier gerade einzelne Gedanken, welche
(päter der ganzen Schule ein charakteriftifches Gepräge aufdrückten. Und in der That finden fich Spuren
von einem früheren Auftreten der Renaiffance am Schlofsbau jener Gegenden. Die feit dem Jahre 1529 erbaute
»alte Refidenz« in Halle zeigt bereits, wenn auch in einfachen Formen die neue Zeit. Im Kirchenbau finden
fich bekanntlich die erften Spuren derfelben bereits 1519, wo fie der Augsburger Adolf Dowher am Haupt-
altar der Stadtkirche zu Annaberg anwendete. *
Von jenen drei Werken zu Dresden, Torgau und Deffau ift Torgau das bedeutendfte. Sein Architekt
Meifter Konrad Krebs ift uns aus einer Infchrift oben am grofsen Treppenhaufe bekannt, und zweitens aus
feinem Grabftein, der i. J. 1810 bei Verlegung des Hofpitalkirchhofes an der Oftmauer der Frauenkirche
eingemauert wurde, und auf dem man in ftark verwifchten Zügen folgende Worte lieft:
»Anno Dni. 1540 Dinftag am Abend Egidi ift der erbare Conrad Krebs C. F. G. zu C. Sachfen
»Baumeifter felig vorfchieden dem Gott gnad«.
In welchem Alter Meifter Krebs ftarb, bleibt freilich dabei ungefagt. Geht etwa die Entwickelung des ganzen