Full text: Das königliche Schloss in Berlin

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waren dies die Zimmer »angrin hutte«*), wie es im Tagebuche Lynar’s in deffen fehlerhaftem Deutfch heifst. 
Aus diefen Worten las Nicolai »Angrin hatte« und conftruirte fich damit einen nicht exiftirenden dritten 
italienifchen Architekten Namens Angrin. Die kleine Privatkapelle, die an diefer Stelle, wenn auch verwahrloft 
und in heillofer Ueberfchmierung mit Kalkwaffer noch erhalten, ftammt jedoch; wie aus ihren Formen hervor- 
geht, nicht aus jener Zeit, fondern erft aus der Regierung des grofsen Kurfürften und dürfte etwa: zwifchen 
1660—80 errichtet fein. Der kleine quadrate Raum ift durch Oberlicht erhellt und in Wand und Decke mit 
Stuckornamenten verziert, unter denen Fruchtfchnüre die Hauptrolle fpielen. Die einzelnen Formen find im Ver- 
hältnifs zum Zimmer fchwer, in der Zeichnung mifcht fich-anmuthiges mit plumpem, nordifche architektonifche 
Trockenheit mit der flotteren Dekorationsweife des Südens. Alle vier Seiten des Gemaches find gleichwerthig 
behandelt, je zwei Pilafter theilen fie in Felder, von denen das mittelfte gröfste auf einer Seite einen wirk- 
lichen, auf den drei anderen Scheinkamine enthält, darüber jedesmal eine fchwere Cartouche, in der einft ein 
Gemälde fafßs. Bilder oder Gobelins füllten wohl auch die Seitenfelder und felbft zum Theil die ähnlich wie 
Bernini’s Inkruftation der Pfeiler der Peterskirche gegliederten Pilafter. Diefe Kapitell und Bafıs entbehrenden 
Vorlagen find im Hauptgefims kräftig herausgekröpft. Die reich ftuckirte Decke öffnet fich in einer hohen 
lichtgebenden Laterne. Es dürfte fchwer fein zu entfcheiden, ob diefer Raum von den in feiner Entftehungs- 
zeit zugleich in Berlin thätigen Jtaliehern oder Hollfndern (Memkardı oder Chiefe) gezeichnet worden, da 
die längere Zeit im Norden lebenden Italiener fich oft vollftändig den dort herrfchenden Kunftformen 
anfchliefsen, wie dies in unferem Falle auch foweit wir feine Thätigkeit reconftruiren können, von Niuron gilt. 
Als Lynar 1596 ftarb, wurde Niuron felbftändig. Aus diefer Zeit (tammt das noch ftehende Apo- 
thekengebäude im Luftgarten (1598 begonnen), ein Werk, welches, wenn auch fchlicht und einfach, fich doch 
in feiner Gefammterfcheinung durch gefällige Verhältniffe vortheilhaft von den Lynarfchen Bauten uünter- 
(cheidet. ‘Drei kräftige Giebel mit mäfsig barocken Voluten fteigen aus dem Dache auf. Die Sandftein- 
profilirungen der Fenfterumrahmungen behalten immer noch die fpätgothifche Weife bei, in der die abge- 
{chrägten und gegliederten Ecken nur bis zu etwa zwei Drittel der Seite herab fteigen, um da einen horizontalen 
Abfchlufs zu finden; der untere Theil mit der Sohlbank bleibt unverziert. Das Innere bietet nichts bemer- 
kenswerthes dar. 
Um das Ende des fechzehnten. Jahrhunderts entftand ferner auch das an den grünen Hut angren- 
zende, fchmale, hohe Gebäude nach der Spree zu, welches von zwei polygonen Thürmchen flankirt wird. 
Es hiefs das »Haus der Herzogin«, ein Name, den Nicolai wohl‘ richtig auf die Herzogin-Wittwe von 
Braunfchweig-Lüneburg, Hedwig, eine Schwefter Johann Georg’s, bezieht. Nach ihrem Tode (1604) wurde 
das Hauptgefchofs zur kurfürftlichen Wohnung hergerichtet, und noch der grofse Kurfürft ließ es bald nach 
dem dreifßsigjährigen Kriege für fich von neuem in Stand fetzen.. Um einen Zugang von den beiden grofsen 
Treppenthürmen des inneren Hofes zu diefem Gebäude zu gewinnen, wurde es mit dem Hauptflügel durch 
einen fteinernen Bogengang in Verbindung gefetzt. Auf einem fchmucklofen Erdgefchofs bauen fich.von tos- 
kanifchen Säulen getragene Rundbogenhallen von ungleicher Höhe dreimal über einander auf. Die klaflifchen 
Formen find ohne fonderlichen Gefchmack, im Ganzen wie im Einzelnen nüchtern, vorgetragen. In den 
Details machen fich allerlei Härten und Unfchönheiten geltend. (S. die Abbildung auf Seite 13.) Der 
Erbauer diefer Theile ift unbekannt, doch fcheint die profaifche Behandlung der Säulenordnung wie auch 
das Zurückgreifen auf den Grundrifs der Frührenaiffance mit den zwei flankirenden Eckthürmchen auf 
einen 'nordifchen Meifter zu deuten. Den Verluft feines Namens kann die Kunftgefchichte verfchmerzen. 
*) d. h. »am grünen Hute«, Diefen Namen führte jener Rundthurm der älteften Burg, feit das von Theifs herrührende 
Kupferdach deflelben durch Oxydation Grünfpan angefetzt hatte.
	        
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