Full text: Das königliche Schloss in Berlin

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nächft das lange fchmale Gebäude, welches das Haus der Herzogin mit dem Lynar’fchen Flügel verbindet 
(S. d. Abbild. auf Seite 17). Die Architektur zeigt hier alle Vorzüge der Nering’fchen. Behandlung in ihrer 
ftreng an gute Vorbilder anfchliefsenden Formgebung. Man wird überhaupt nicht leicht am Schluffe des 
17. Jahrhunderts ein zweites Werk finden, welches fo fehr an italienifche Vorbilder der befleren Zeit erinnert. 
Auch der leifefte barocke Schnörkel fehlt, allerdings zugleich auch die faftige Detailbildung, die Italien zu 
allen Zeiten eigen. Vielmehr geben Nering’s jederzeit fchwach ausladende Profile, verbunden mit dem 
Streben nach Strenge, auch diefem Werke einen gewiffen Grad von Trockenheit, der allen feinen Schöpfungen 
eigen ift. Ueber einer etwas fchwerer behandelten, wohl urfprünglich geöffneten und als Sommerhalle dienen- 
den Arkadenftellung des Erdgefchofles, erhebt fich eine elegant gezeichnete. Loggienreihe mit Fenftern, die 
die ganzen Bogenöffnungen füllen, endlich ein Gefchofs mit gradlinig gefchloffenen Fenftern und Giebeldrei- 
ecken darüber. Im Innern enthalten beide. Obergefchoffe lange fchmale Galerien; die obere derfelben, die 
fog. Braunfchweiger Galerie, gehört heut zu den Fefträumen; ihre Dekoration ift jünger als Nering. 
‚Nicolai widerfpricht fich an den verfchiedenen Stellen feines Buches in Bezug auf die Baudaten 
diefer Zeit, und da von den Akten nichts mehr erhalten ift, {o faßt man am beften die ganze Periode zwi- 
(chen die Jahre 1681 (nach Vollendung der Arkaden) bis zu Nering’s Tode 1695 zufammen. Denn die 
Thronbefteigung‘ Friedrich’s des Dritten führte keine Unterbrechung des Unternommenen herbei. Es han- 
delte fich damals namentlich noch um den inneren Ausbau des neuen und der an daffelbe angrenzenden 
älteren Gebäude der Oftfeite. Er begann im Obertheil des Lynar’fchen Flügels am Waffer, der eigentlichen 
kurfürftlichen Wohnung, und ging von da weiter nach Süden fort bis gegen die Ecke an der Kurfürften- 
brücke, welche letzteren Theile noch nach Nering’s Tode unter Oberleitung von Grünberg zu Ende geführt 
wurden. Intereffant ift. hierbei die Beobachtung von den Wandelungen, die der Stil in den letzten Jahren 
vor Schlüter’s Auftreten, dank den verfchiedenen hier arbeitenden Künftlern, machte. Die Wohnung 
Friedrich’s III, Nering’s Werk, athmet bei allem Reichthum der Dekoration, mit den werthvollen Intarfien 
der Fufsböden beginnend und den mit Gemälden verzierten Decken (deren Stuck übrigens theilweife noch 
aus Lynar’s Zeit ftammt) {fchliefsend, ganz holländifchen Einfluß. Es fehlt. weder der grofse geradlinige aus 
buntfarbigem Marmor zufammengefetzte Kamin (Kugelkammer), noch das beliebte ganz mit chinefifchen Holz- 
malereien getäfelte Kabinet. 
Während jene Bauten im beften Gange waren, ftarb plötzlich und unerwartet Nering nach kurzem 
Unwohlfein am 21. October 1695. Der Kurfürft anerkannte in einem Schreiben aus Cleve die grofsen Ver- 
dienfte feines Oberbaudirektors und verordnete die feierliche Beifetzung der Leiche auf Staatskoften. Da 
in dem alten Dome auf dem Schlofsplatze kein Platz mehr war, fo wurde die neu erbaute Dorotheenftädtifche 
Kirche dafür gewählt. Seinen Erben blieb zur Deckung hinterlaffener Schulden fein Gehalt von vierhundert 
Thalern noch auf ein Jahr. 
Nicht Grünberg, fein Nachfolger im Amte, ein {folider Techniker aber ein künftlerifch wenig hervor- 
ragender Mann, fondern vielleicht der Bildhauer Michael Däbeler*) gewann den mafsgebenden Einflufs auf 
den weiterfolgenden Ausbau, namentlich des alten kurfürftlichen Thronfaales, dem heut fog. Sammetzimmer 
der Elifabethkammern, deffen Decke weitaus die gefchmackvollfte Dekoration aus der Zeit vor Schlüter ift. 
Wer immer fie gezeichnet, fteht auf wefentlich anderer Bafıs als Nering, er it reicher an Phantafıe, feine 
Linien fliefsen befler als bei diefem. Es war hier in jene Entwickelung auf das Leichte und Zierliche hin ein- 
*) Michael Däbeler (Döbell, Döbeler) zuerft 1674 in Kurfürftlichen Dienften genannt, erhielt 1689 eine Konfirmation feiner 
Beftallung als Hofbildhauer mit 200 Thalern jährl. Gehalt und befonderer Bezahlung der einzelnen Arbeiten. Er ftarb 1702.
	        
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