Full text: Das königliche Schloss in Berlin

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Spindeltreppen längft verfchwunden, erhalten hat. An den Strafsenfronten waren, wie erwähnt, felbit die 
beiden runden Eckerker am Schlofsplatz beibehalten, und nach der Spree zu bewahrt der nicht zur Aus- 
führung gelangte Entwurf treu jeden Vorfprung der dort aus den verfchiedenften Bauperioden bunt zufam- 
menftofsenden Theile. Das Ganze war eben nur ein Umbau, der, wo es nur immer anging, felbft die 
Mauern des alten Baues erhielt. Letzteres gefchah bei dem gröfseren‘ Theil des Oft-. und Südflügels, während 
im Nordflügel nach dem Luftgarten zu früher nur niedrige und dem entfprechend weniger tief fundamentirte 
Gebäude geftanden, die deshalb vom Grund auf neu aufgeführt werden mufsten. Nur wenn man dies mit 
berückfichtigt, erklärt fich die Schnelligkeit, mit der der Bau in den erften Jahren vorrückte, 
: Es liegt nahe, dafs man. einem fo bedeutenden Werke gegenüber forfche, woher der Künftler feine 
Anregungen für daffelbe gefchöpft habe. Schon im vorigen Jahrhundert befchäftigte man fich mit diefer 
Frage und glaubte vor Allem die am Meiften in die Augen fpringende Eigenthümlichkeit des Aeufseren, das 
Hauptgefims mit den, feinen Architrav durchbrechenden Mezaninfenftern auf ein sömiiches Vorbild, den 
Palazzo Afte in Rom in der Nähe der Piazza S. Marco, ein Werk J. A. Roffi’'s, zurückführen zu können. 
In der That findet fich an dem römifchen Werke in der architektonifchen Anordnung verwandtes, wie man 
fich in der Aufnahme bei Sandrart überzeugen kann. Für die Hoffaffade habe ich felbfit in der obener- 
wähnten Arbeit an die Louvre-Colonnade und den Palazzo Barberini in Rom als Vorbilder gedacht, allein 
es ift in diefem wie in jenem Falle mifßlich, aus einer immerhin entfernten Aehnlichkeit auf directe Beein- 
Auflung zu fchliefsen. Schlüter hat eben mit aufmerkfamem Auge die. italienifchen und vielleicht auch die 
Parifer Bauten ftudirt ; dies erkennt man an feinem Berliner Schlofs. In allen Einzelheiten jedoch folgte er 
ohne beftimmte Anlehnung an diefes oder jenes ältere Werk allein feiner fruchtbaren, durch tüchtiges Studium 
gefchulten Phantafie. Wenn aber im Allgemeinen fchon der Gedankenreichthum der Barockarchitektur unferer 
ohantafielofen Zeit gegenüber bemerkenswerth ift, fo ganz befonders. bei Schlüter, der als Bildhauer und 
Architekt über eine unerfchöpfliche Fundgrube von Ideen verfügte, wie dies nur Wenigen in ähnlicher 
Weife gegeben war. Man könnte hier auf die verfchiedene Ausbildung der Portale im Süden und Norden, 
auf die jedesmal verfchiedene Geftaltung des Innern derfelben, auf die Mannigfaltigkeit der Treppenbildung 
und vieles andere hinweifen, den vollgiltigften Beweis aber liefert doch erft die Decoration der Fefträume, 
wie fie die Tafeln erkennen laffen; der Lefer fei deshalb auf deren Studium verwiefen. 
Als Zielpunkt der Vollendung, wenigftens eines Theiles des Ganzen, war offenbar bei dem damals 
bald zu erwartenden Abfchlufs der Verhandlungen um die Königskrone, die Krönungsfeierlichkeit hinge- 
Gellt, mit welcher die neu entftehenden Fefträume eingeweiht werden follten. So wurde denn in erftaun- 
licher Eile gearbeitet: im Einzelnen freilich vermögen wir nicht mehr den Fortgang des Baues in den Jahren 
von 1698 bis Anfang 1701 zu verfolgen, und können fo nicht einmal feftftellen, woher Nicolai’s Angaben 
ftammen: 1699 für den Anfang des Baues auf der Luftgartenfeite — welches Datum als Bauanfang über- 
haupt erweislich falfch ift — 1701 Errichtung des grofsen Treppenhaufes, 1702 Vollendung des inneren Schlofs- 
hofes. Ich vermuthe, fie find ziemlich willkürlich gewählt, denn noch lange nach 1702 wurde z. B. an dem 
Hofe gebaut, der, wie wir gesehen, noch vier Jahre später nicht ganz fertig war. 
Die Bildhauer- und Steinmetzen-Arbeit liefs Schlüter unter feiner perfönlichen Leitung in mehreren 
Werkftätten, darunter fein eigenes Atelier, ausführen. Während bisher zu den Berliner Bauten der Sand- 
(tein aus der fächfifchen Schweiz bezogen worden, verfuchte er es, das Material im Lande felbfit zu gewin- 
nen und kaufte zu diefem Zwecke einen Steinbruch bei Halle auf eigene Rechnung. Allein die Steine er- 
wiefen fich anfänglich, wenigftens am Zeughausbau, wo man fie zuerft verwendete, nicht recht brauchbar”), 
777 a Schreiben des Kurfürfien an Geh. Ratlı Lindholtz und. Amtsrath Weile d. d. Friedrichsfelde 23. März 1699.
	        
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