Full text: Das königliche Schloss in Berlin

Er 
grofsen quadraten Saal zu treffen, der erft den vollen Rhythmus des Grundriffes herftellte und wohl der 
eigentliche Thronfaal hätte werden follen, was der Ritterfaal mit feinem Prachtbuffet doch architektonifch 
nicht ift, wenn er auch heut gelegentlich als folcher benutzt wird. 
In der Art der inneren Decoration zeigt fich Schlüter, wie am Aeufsern, im erfter Linie italienifchen 
Einflüffen unterworfen, zu denen noch die Einwirkungen der nordifchen, befonders wohl Danziger Spät- 
renaiffance, wie er fie in feiner Jugend vor Augen gehabt, kommen. Wären wir beffer über die Kunft- 
gefchichte Warfchau’s unterrichtet, fo würden fich vielleicht auch dorthin Fäden knüpfen. Ueberall finden 
wir die fchweren in italienifch-barocken Linien gegliederten, farbig und reich mit Gold behandelten Stuck- 
decken; über den Kaminen plaftifchen Schmuck, zum Theil (wie Tafel 32) nach Schlüter’s eigenen 
Modellen; die Thüren und das fonftige reich gefchnitzte Holzwerk vergoldet oder kräftig getönt, während 
damals in Frankreich längft Weiß und Gold die conventionellen Hauptfarben für Holzwerk und Decken 
waren und feit Manfard’s Vorgang über den zufammengefchrumpften Kaminen regelmäfsig ein Spiegel 
Platz fand. Dagegen dürfte in den auf Goldgrund gemalten Füllungen der Holzbekleidungen der Einflufs 
der in Stichen durch die ganze Welt verbreiteten Berain’fchen Compofitionen zu erkennen fei. Schon die 
offizielle Stellung diefes Mannes als Hofdecorateur Ludwig’s XIV. gab feinen Erfindungen eine faft cano- 
nifche Bedeutung durch ganz Europa, der fich felbft ein Schlüter nicht ganz entziehen konnte. Achnliches 
gilt für die Zeichnung der Gefimfe des Innern und einen Theil der Zierleiften. Auf diefem Gebiet 
waren eben die Franzofen damals tonangebend; fie hatten im Gegenfatz zu der mehr durch die auf- 
und abfchwellenden Maffen wirkenden italienifchen Decorationsweife den Reichthum der Profile gemäfsigt, 
das einzelne Glied derfelben aber dafür mit feinen Ornamenten bedeckt und fo der inneren Architektur 
einen mehr intimen Charakter gegeben, wie er ihr allerdings auch zukommt. Ihre Lehrbücher verbreiteten 
diefe Behandlungsweife durch die ganze Welt. 
Am Glänzendften vielleicht zeigt fich der eigenartige Stil unferes Meifters, wie er fich aus dem 
Studium der beiden Hauptbaufchulen feiner Zeit gebildet, in der Anlage des in feiner Art meifterhaften 
Ritterfaales und des diefem entfprechenden, nur weniger reichen Elifabethfaales. Beide befitzen, wie das 
große Treppenhaus, einen befonderen Vorzug in ihrer hellen und ftreng-einheitlichen Beleuchtung, der das 
Mafs der farbigen Behandlung fehr gefchickt angepafst iftz hierzu kommen die vortrefflichen Verhältnifle. 
Dabei trägt wenigftens der Ritterfaal den ganzen dithyrambifchen Reichthum des glanzvollften Barockftyls zur 
Schau und wird dadurch das grofse Prachtftück der ganzen Anlage. Uebrigens ift die Anordnung des 
Prunkbuffets in demfelben nicht, wie meift angenommen wird, eine Leiftung Schlüter’s fondern Eofander’s, 
wie aus der Auffchrift eines gleichzeitigen Stiches hervorgeht. Es zeigt fich darin die glückliche Begabung des 
letzteren Künftlers für derartige decorative Gruppirungen, die auch die Zeitgenoflen fchon rühmten. 
Sucht man als Abfchlufs des äfthetifchen Urtheils über den Bau fich die kunftgefchichtliche 
Bedeutung deffelben, und damit die Schlüter’s, deffen Hauptwerk er war, klar zu machen, fo mufs man 
fünf Punkte befonders hervorheben. Einmal die Grofsartigkeit des Empfindens, die Kühnheit der Com- 
pofition eines folchen Werkes im Ganzen wie im Einzelnen. Und zwar erft wenn man an die kleinlichen 
Verhältniffe des damaligen Berlin denkt, kann man der hier waltenden grandiofen Sinnesweife ganz gerecht 
werden, die, unbekümmert um die dürftige Umgebung, allein dem Triebe des eigenen Genius folgte. Es 
hat dies etwas Michel-Angeleskes, wie denn Schlüter in der That in manchen Punkten feines Talentes 
und Charakters mit dem grofsen Florentiner Verwandtes befitzt. So fehr er aber auch die Mafse in das 
Außerordentliche fteigert, fo bewegt er fich doch zweitens immer in den edelften Verhältniffen. Das Streben 
nach malerifcher Wirkung, welches in der Einzelheit vielfach zu barocker Willkür führt, ift mehr ein
	        
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