Full text: Das königliche Schloss in Berlin

nn 
Wir haben in diefer Zweitheilung des Hofes, deffen äufsere Hälfte einfacher gehalten ift, und deffen 
Glanzeffect fich auf den Innentheil concentrirt, die franzöfifchen Motive der „cour basse“ und „cour d’honneur“, 
Nur würde Schlüter durch die glanzvolle Einreihung der Doppelarkaden, wo wir fonft eine einfache Mauer 
oder eiferne Gitter finden, ein Werk gefchaffen haben, wie es einzig dageftanden hätte. Dafs aber diefe 
Säulenftellung wirklich in feiner Abficht gelegen, ergaben trotz des Fehlens jeder Zeichnung oder {chriftlichen 
Notiz die Anfätze dazu im Mauerwerk, welche erft bei der im Jahre 1874 begonnenen Errichtung der letzten 
Theile der Hofarkaden verputzt wurden. Wenn daher Nicolai nicht Schlüter, fondern Eofander die Abficht 
beilegt, beide Höfe durch Säulen zu trennen, fo mag diefer allerdings den Gedanken eine Zeit zu feinem 
eigenen gemacht haben, die Anregung aber ftammt von Schlüter, denn die erwähnten Anfätze zu diefer 
Conftruction befanden fich an den noch von ihm errichteten Bautheilen. 
Das hohe Lynar’fche Gebäude, welches noch heut fehr zur Unzierde des Ganzen beide Höfe trennt, 
hätte Schlüter um fo unbedenklicher abtragen können, als in dem erheblich vergröfserten Schlofle fich Raum 
genug zum Erfatz für den verloren gehenden finden mufste. Die vier Fafladen feines urfprünglichen Ent- 
wurfes aber liefßs er noch im Jahre 1703 durch feinen Schüler Paul Decker in gröfstem Folio in Kupfer 
(techen; es fcheint darnach, dafs er demfelben in feiner Einheitlichkeit den Vorzug vor der fpäteren Ueber- 
arbeitung gab, von der wir keinen Stich und keine Zeichnung mehr befitzen. 
Im Jahre 1702 wurde Schlüter’s Gehalt, der über die vielen Unkoften, welche er hatte, klagte, auf 
3200 Thaler erhöht; 1705 erhielt er eine Dotation von 8000 Thalern. — 
Abgefehen von dem inneren Ausbau der bis dahin entftandenen Theile concentrirte fich feit 1701 
die Bauthätigkeit hauptfächlich auf die Weiterführung des Nordflügels. Schon in diefem Jahre begann der 
Umbau des alten Münzthurmes*). Sein unterer Theil follte ein fog. »Grottenwerk« bilden, wie es ähnlich 
der untere Saal des Memhardt’fchen Pavillons im Luftgarten enthielt, d. h. einen Saal, deffen Wände und 
Decken mit natürlichem, zum Theil koftbarem Geftein bedeckt waren, und in welchem allerlei Springbrunnen 
raufchten, auch‘ hier und da aus dem Boden und von den Seiten her Vexirwäfferchen fpielten, welche auf das 
Drehen eines Hahnes den Neuling durchnäfsten, eine beliebte Spielerei an den damaligen Höfen. In feinen 
höheren Theilen follte der Thurm ein Waffer-Refervoir für die Springbrunnen des Luftgartens aufnehmen und 
ganz oben ein in Holland erworbenes Glockenfpiel tragen. Schlüter nahm die Spitze des etwa ı5 Meter im 
Quadrat breiten Thurmes bis auf 31 Meter ab, verftärkte den oberen Theil diefes Reftes auf allen Seiten 
bis auf 2,75 Meter und begann nun den Weiterbau. Schon gleich bei Beginn der Weiterarbeiten foll fich 
ein Rifs gezeigt haben, dem im Frühjahr 1703 neue folgten »die wahrfcheinlich eine Einftellung des 
Betriebes rathfam erfcheinen liefsen«. Erft im Spätjahre wurde der Bau wieder aufgenommen und mit 
häufiger Unterbrechung und nachträglich vermehrter Anker-Einziehung fortgefetzt. Nachdem aber während 
des Baujahres 1704 bei weiterem Aufbau die Rifle zahlreicher und drohender auftraten, fcheint Schlüter 
(ohne höhere Genehmigung einzuholen) eine noch gröfsere Verftärkung des Thurmes für nothwendig 
gehalten zu haben und erbaute eine dritte ftärkere Umwandung von 2,75 Meter Stärke bei ı9 Meter 
Höhe um den alten Thurm und die beiden erften Verftärkungen. Der Bau wurde wieder in Paufen 
betrieben und hat vermuthlich eine Höhe von 53 Meter erreicht. Im Baujahre 1705 traten die gefahr- 
drohenden Erfcheinungen noch ftärker hervor, fo dafs Schlüter bei feiner damaligen, ganz unglaublichen 
Fülle von Gefchäften und künfllerifchen Aufträgen wie in Verzweiflung zu den koftfpieligften und {elt- 
(amften Conftructionen feine Zuflucht nahm. Da der Thurm aller Verankerungen ungeachtet ein fo ftarkes 
*) Vergl. die protok. Vernehmung der Bauhandwerker d.'d. Köln, den 20. Juli 1706 bei Klöden a. a, O. 5. 206 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.