Full text: Das königliche Schloss in Berlin

Setzen an der Ecke der Schlofsfreiheit und des Luftgartens zeigte, fo glaubte er denfelben noch ficherer 
und vor weiterem Ueberneigen bewahren zu können, wenn er an der entgegengefetzten Seite, nach der 
Schlofs-Apotheke zu, einen koloffalen Steinpfeiler von 16 Meter Breite, 13 Fufs Tiefe und 14 Meter Höhe 
aufführen und denfelben mit den ftärkften Ankern von 0,16 Meter Quadratfeite damit verbinden liefs. Da 
auch diefe Hilfsconftruction ihrem Zweck nicht entfprach, fo wurden noch im Laufe des Jahres 1705 und 
im Anfange des Jahres 1706 drei riefige Steinpfeiler, — »Berge« genannt, wegen ihrer äufseren Bearbeitung 
als Felsklippen — an der vorderen Seite (wohin der Thurm fich neigte) in großen Quadern aufgemauert, 
inzwifchen aber trotz der immer drohenderen Gefahr der Thurm auch nach oben hin ununterbrochen, 
wenn auch langfam bis zu 70 Meter Höhe emporgebaut *)«. 
Aus dem Monat Juni des Jahres 1706 liegt uns endlich der erfte datirte der offenbar in beftimmten 
Zwifchenräumen dem Könige eingereichten Bauberichte vor. Das Concept ift von Schlüter’s Hand und 
lautet: »Was eigentlich vor Arbeit diefes Jahr 1706 zu lievern verhoffe, ift in nachfolgenden zu erfehen. 
In diefem Monath Juny wird kein ander Werk gemacht, als was zur Fortfetzung des Thurms, des Freyen- 
waldifchen Baues, und des Potftdamm’fchen Saales vonnöthen. 
Erftlich bey dem Thurm. 
Wird gearbeitet an dem Berge zum Wafferfall, nach der Strafse. An den fundamentern fo zur Verftärkung 
des T’hurmes und der Waffer-Kaften kommen, die gemauerten Eck-Pfeiler und was fonft zur Verftärkung 
dienen kan. Von Zimmer-Arbeit, die Gerüfter, die Winden, die Tritz-Kloben, die Strebe-Pfeiler, die 
Rammen, die Pfähle, das Gehäufe zur Uhr, der Glocken-Stuhl zum Glockenfpiel, die Ancker und Eifen- 
werck, die Steine-Anfuhren, Steinmetz-Arbeiten, die Zeiger zur Uhr und das Uhrwerck komt auch noch 
diefen Monath darauf zu ftehen. In dem zukünftigen Monath July, werden beim Thurm die Seulen 
gefetzet, die Mauer famt dem Gehäufe zum Klockenfpiel gefetzet, die Klocken hinauf gebracht, die Steinmetz- 
Arbeit verfetzet, und: fo viel möglich, das Klockenfpiel famt andern nothwendigen Dingen befordert. 
In dem Monath Augufti, wird nicht allein am Thurm, fondern auch im Schlofse fleifsig an dem 
Cabinet bey der Schlofs-Capellen, und die übrigen Zimmer, fo wegen der gefchwindigkeit nicht haben 
können zur rechten perfektion kommen, gearbeitet. Und hoffe ich in diefem Monath Augufti durch Gottes 
Hülffe das Klockenfpiel auf den Thurm zum wenigften anftimmen zu hören. 
Zu welcher Zeit aber die Sclaven, fo an die lange Brücken kommen, erft angefangen werden. 
Diefe obengedachte Arbeit vom Thurm und Schlofs fammt den Sclaven auf der langen Brücke 
continuiren durch die übrigen Monathe nun fo lange, bifs das alles nach Ew. Königl. Mayvft. allergnädigften 
Gefallen vollendet wird. — 
Dies harmlofe Schreiben ftand in fchneidigem Contraft mit der wahren Sachlage, wie fie fchon 
in der nächften Zeit nicht mehr zu verheimlichen war. Es offenbart fich in diefem Bericht mindeftens 
eine fchwere Selbfttäufchung Schlüters, die feine Gegner, deren ja jeder Menfch, und vor Allen jeder 
Künftler unter feinen Fachgenoffen hat, recht gut als eine Pflichtverletzung. auffaflen konnten, denn fchon 
wenige Tage nach diefem fo vertrauensvollen Rapport trat die fich feit länger als drei Jahren vorbereitende 
Kataftrophe ein”). 
*) Adler: Aus Andreas Schlüter’s Leben, bei Erbkam, Bauzeitung Bd. XII. 
##) Ueber die Vorgänge diefer für die Zukunft des Meifters entfcheidenden Tage find wir durch ein glückliches Gefchick 
bis in die Details unterrichtet. Die Akten darüber hat bereits Adler a. a. O. veröffentlicht, fo dafs ich mit Hinweifung hierauf mich 
auf die Schilderung des Vorganges in feinen Hauptzügen befchränken darf. 
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