Full text: Das Weltbild der Gegenwart

214 Die Kultur 
und auch das Transzendente, das sie etwa anerkennt, ist 
nur gehobenes Menschliches. 
Mit dem ausgehenden Altertum schwindet auch aus 
ihr die Freiheitsluft, und endlich kehrt sie zu niederen 
Stufen zurück, an dem allgemeinen Herabsinken zu halb- 
primitiven Zuständen teilnehmend. Das Mittelalter 
bringt eine neue Kunst, aber eine Kunst voll neuer gei- 
stiger Gebundenheit. Aus jedem Bildwerk des Mittelalters 
spricht sie. Die Architektur überwiegt wieder. Einige 
Jahrhunderte geht parallel die relativ selbständige Kunst 
des Islams. Aber es ist nicht die Kunst einer Voll- 
kultur, da sie Malerei und Skulptur infolge des Verbotes 
der Menschendarstellung so gut wie ausschließt. Es ist 
eine Kunst hohen, ja eleganten Geschmacks, froh der 
Sinnenwelt, wie Muhammeds Religion es war. 
Erst mit der Renaissance beginnt die innere 
Freiheit sich in der Kunst von neuem durchzusetzen; 
darum ist sie der Antike innerlich verwandt, obschon 
größer als sie. Das Geheimnis des Transzendenten ist 
durch das Mittelalter im Menschen lebendig geworden, 
auch wenn keine Tradition ihn mehr bindet. Das naive 
Leben der Antike ist nicht mehr möglich. Gewiß hat es 
sich breite und breitere Bahnen gebrochen, aber die 
Größten können diesen Weg nicht mehr beschreiten. Das 
Leben bleibt innerlich gebrochen. . Michelangelo, Feuer- 
bach, Rodin, Klinger sind insofern übergriechisch. 
Unter den amerikanischen Halbkulturen hat nur 
Mexiko eine Kunst bedeutenderen Umfangs besessen. 
Sie hat eine gewisse entfernte Verwandtschaft mit der 
indischen, steht aber tiefer. 
Nicht ohne Beziehung zur bildenden Kunst ist die 
Entwicklung der Poesie. Sie verläuft zwar nicht 
genau parallel, ihre Höhepunkte fallen nicht stets mit
	        
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