074 Die Kultur
phänomen, das da ist, dessen Werden wir nicht begreifen:
Darum erscheint uns die Kunst wie eine Fortsetzung der
Naturschöpfung. Wie in der Natur eine Fülle schöner
Gestaltungen sukzessive ins Dasein getreten ist, so setzt
sich. dieser Schöpfungsprozeß nun auch im Geist mensch-
licher Individuen fort.
:- Weil: wir heute das Wesen der. Kunst und ihrer
Schöpfer so viel tiefer erfassen, besitzen wir eine Hoch-
schätzung der Künstler wie kaum eine Zeit vor uns, viel-
leicht mit Ausnahme der Renaissance. ‚Die Kunst ist uns
eine Pforte zum Metaphysischen, obschon wir sie nicht zu
öffnen vermögen, sondern nur Lichtglanz. hervor-
schimmern sehen.
Vierzehntes Kapitel
Wissenschaft und Philosophie
Später als Religion und Kunst tritt innerhalb der
Menschheit die wissenschaftliche Erkenntnis
hervor. Es kann von solcher erst gesprochen werden,
wenn die Freude am Erkennen als solchem erwacht ist
und es nicht bloß im Dienste praktischer Interessen geübt
wird. Eine Kenntnis der Dinge für praktische Zwecke '
besitzen auch die Primitiven und die Halbkulturvölker. n
Sie stellt sich als Produkt des Lebens von selbst ein. Die br
Erbauung von Häusern, die Anfertigung von Matten, m
Geweben, Töpfen, . Handwerkszeug, Booten und dem Bi
übrigen Gerät des Lebens setzt gewisse Kenntnisse über u
die materielle Welt voraus; aber der Primitive hat kein E
Bedürfnis, sich über irgendein Objekt weiter zu orien- 8
tieren, als er es zum Leben nötig hat. ih
Die ältesten Anfänge der Wissenschaft sind uns nicht E
mehr feststellbar. Wo wir ihr begegnen, haben wir es kı
bereits mit einem . relativ entwickelten Zustande zu tun. ın