982 Die letzten Probleme
was wir Sinnesinhalte nennen: die Farben, Töne,
Gerüche, Geschmacks-, Tast-, Temperatur- und andere
sensuelle Inhalte können von uns wirklich wahr-
‚genommen werden als etwas unmittelbar in unserem Be-
wußtsein Vorhandenes.
Dennoch besteht keine Wissenschaft auch nur im
wesentlichen aus evidenten Wahrnehmungsurteilen.
Man könnte meinen, als erste Wissenschaft, die ganz
auf Wahrnehmung beruht, die Psychologie an-
führen zu dürfen. Aber in Wahrheit ist für sie das hie
et nunc der einzelnen Beobachtung nur der Weg, um
teils zu Generalisationen, teils gar zu einer „Wesenslehre“
vom Psychischen fortzuschreiten. In psychologischen
Lehrbüchern ist immer nur von Gefühlen, Willensvorgän-
gen, Vorstellungen im allgemeinen die Rede, aber niemals
von einem ‘bestimmten Gefühl einer bestimmten Person
in einem bestimmten Augenblick. Nur ein solches aber
kann wahrgenommen werden.
Etwas anders, aber nicht besser, steht es mit der
Naturwissenschaft; denn es wird kein Natur-
gegenstand von uns so vollständig wahrgenommen wie
eine Farbe oder ein Ton. Alle körperlichen Objekte sind
räumlicher Art. Wir sehen von ihnen nur die Vorder-
seite, während uns die Rückseite und das Innere ver-
schlossen bleibt oder höchstens, wenn eine neuere Auf-
fassung recht hat, in Ausnahmefällen sichtbar wird
(wenn der Körper durchsichtig ist). Ferner ändert jeder
Körper sein Aussehen mit der Beleuchtung, während der
Naturforscher von seiner Identität überzeugt ist.
Alles, was wir als Natur bezeichnen, ist eine Kon-
struktion ‚unseres Geistes. . Wir knüpfen an die Sinnes-
eindrücke an, aber wir bleiben nicht bei ihnen stehen.
Kein Physiker, der ein Experiment anstellt, beobachtet