302 Die letzten Probleme
griffe? Aber selbst wenn wir eine Linie, wenn auch nicht
als selbständige Linie, so doch als Grenze einer Farbfläche
im eigentlichen Sinne wahrnehmen können, so wird auch
darum Geometrie noch nicht Erfahrungswissenschaft,
denn die geometrischen Sätze sind zuletzt nicht abhängig
von der Frage, ob eine gerade Grenzlinie, die wir sehen S
und für eine solche halten, wirklich eine Gerade ist oder l
ob sie nicht vielleicht eine, wenn auch für uns unmerk-
liche Krümmung aufweist. Die geometrischen Sätze .
Euklids würden ihren Sinn behalten, auch wenn niemals .
jemand. solche Objekte gesehen hat. Die Erfahrung ist nur Q
das Sprungbrett für die Erfassung der geometrischen S
Begriffe, aber es ist für die Geometrie prinzipiell gleich- 5
gültig, ob sie ihnen entspricht oder nicht. Hat der Ma- Y
thematiker einmal die Begriffe von Punkt, Gerade, Ebene, F
homogenem, dreidimensionalem, ungekrümmtem Raum 4
usw., so beginnt für ihn die Arbeit der Darstellung der P
Relationen zwischen diesen Gebilden, und die Frage, ob es n
in der Wirklichkeit irgendwelche Objekte gibt, die unter ;
den Umfang jener Begriffe fallen, interessiert ihn nicht
mehr als Mathematiker. Das ist vielmehr eine Frage der
Wirklichkeitswissenschaften.
Selbst wenn die Gesichtsgebilde völlig euklidischer
Natur wären, so wäre damit noch keine Gewähr gegeben, LE
daß auch der Naturraum von dieser Art ist. Dieser p
Raum wird nach herrschender Ansicht ja nur erschlossen
und könnte darum gänzlich anderer Form sein. Be- x
kanntlich hat Zöllner ihn zur Erklärung gewisser para- |
psychophysischer Phänomene als vierdimensionaler Art '
angenommen. Und auch Einstein schreibt ihm, in
anderer Weise, nicht-euklidischen Charakter zu. So sehr N
man die faktischen Beweisgründe für solche Auffassungen @