316 Die letzten Probleme
unbeweisbare Ausflucht ist Leibniz’ Lehre von der Com- oder v
possibilitas: alle miteinander gleichzeitig realisierbaren lichen
Werte seien von Gott verwirklicht. Leibniz’ weiterer Ge- richtig
danke, das Schlechte sei sogar eine Bedingung guter liches
Handlungen, ist geradezu falsch. Die Voraussetzung dig au
guter Handlungen ist die Freiheit und damit die Mög- lichkei
lichkeit der Unsittlichkeit, aber nicht die Realität des in bef:
Schlechten. Die beste Theodizee scheint mir noch immer Welt I
die Tatsache zu sein, daß nichts Gott so nahe bringt und auch «
den Menschen besser macht, als Schicksalsschläge schwerer possibi
Art. (Sie können freilich auch verbittern, und tiefe Freude wohl e
kann erhöhen.) Zahlreiche Übel sind ferner ein Stachel Di
zur Kulturproduktion. Aber sehr vieles bleibt gänzlich un- Wertge
gerechtfertigt. Welchen Sinn hat es, wenn kleinen Kin- ganze
dern die Mutter stirbt und sie fortan in unsittliche Hände gerettet
geraten? Oder man denke an die vielen Kinder, denen bereits
im Kriege von Granaten und Fliegerbomben die schwer- für fri
sten Verstümmelungen zugefügt worden sind? Gänzlich annehn
ohne Rechtfertigung bleibt, um noch einmal daran zu klärt, ]
erinnern, auch das Leiden der Tierwelt. einzuse
Eine Milderung für die Wertschwierigkeiten kann und de
man in dem Gedanken suchen, daß Gott alles mitfühle, sollen.
aber sofort erhebt sich das Gegenargument, daß e r neben Die
all dem Negativen eine überwältigende Menge erhebender indische
Eindrücke haben muß. Ist ihm doch auch der ästhetische Zukunf
Prachtbau der Welt von der Struktur des Ganzen bis zu in dem
den Feinstrukturen aller Dinge dauernd „Sichtbar‘“, wäh- gleich ı
rend die endlichen Wesen zuweilen von ihren Qualen ver- und es
zehrt werden. wicklun
Eine einzige‘ Antwort auf manche dieser Probleme verküm:
scheint keinem Einwand ausgesetzt: ein Parallelismus von keiten f
Tugend und Lebensgeschick dürfte nicht in der Welt vor- der Tat
handen sein, sonst würden alle Menschen sittlich handeln, in der 7