Full text: Einleitung in die Philosophie der Mythologie (2. Abtheilung, 1. Band)

Eilfte Vorlesung. 
Die philosophis<e Religion, wie sie von uns gefordert ist, existirt 
nicht. Aber sofern sie durc< ihre Stellung die Bestimmung hat, die 
begreifende der vorausgehenden, von Vernunft. und Philosophie unab- 
hängigen Religionen zu seyn, insofern ist sie Zwe> des Processes von 
Anfang, also das. nicht heut over morgen, aber doch gewiß zu Verwirk- 
lihende und nie Aufzugebendc, das so wenig als die Philosophie selbst 
unmittelbar, sondern auch nur in Folge einer großen und langdauernden 
Entwicklung erreicht wird. 
Alles hat seine Zeit. Die mythologische Religion mußte voraus- 
gehen. In der mythologischen ist die blinde, weil in einem nothwendigen 
Proceß sich erzeugende, die unfreie, die ungeistige Religion. Die 
Offenbarung, diesenige nämlich , die in das Heiventhum selbst einzudringen 
bestimmt ist (vom Iudenthum wurde das Heiventhum bloß ausgeschlossen), 
die lezte und höchste Offenbarung also, indem sie die ungeistige Religion 
innerlich überwindet, das Bewußtseyn gegen sie in Freiheit sekt, ver- 
mittelt auf diese Art selbst die freie Religion, die Religion des Geistes, 
die, weil es ihre Natur ist nur mit Freiheit gesucht und mit Freiheit 
gefunden zu werden, nur als philosophische sich vollkommen verwirk- 
lichen kann. 
Die philosophische Religion ist demnach durch die geoffenbarte g e- 
sc<ichtlich vermittelt. Der mythologische Proceß erreicht im hellenischen 
Bewußtseyn sein Ende und die letzte Krisis; wir sahen an diesem Punkt 
ven ersten Schimmer einer Philosophie hervorbrehen, welche die Mytho- 
logie zu begreifen suchte; aber ihr Grund wurde damit nicht aufgehoben,
	        
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