Cinleitung: Die organische Auffassung des Erdganzen.
haben , etwa Erdwasserkugel , entsprechend dem Worte Globus terraqueus, Globe terraqu6e,
das Buache anzuwenden liebte. Das Wort Erdkugel läßt das Feste zu stark hervortreten.
Jedenfalls wollen wir uns vor einer Auffassung der Erde hüten, die das Flüssige und Luft-
förmige nicht deutlich mit einschließt, sondern das Feste bevorzugt und daneben nur bestimmte
Formen und Wirkungen des Flüssigen, wie Meer, Flüsse, Gletscher, und bestimmte Erscheinun-
gen des Luftkreises , wie Wärme , Niederschläge, Winde, kennt. Eine der reichsten Quellen von
Irrtümern über die Natur der Erde floß in dem Übersehen der Einheit ihrer Wasserhülle. Neben
oder vielmehr über der Geosphäre, der in unbekannte Tiefen sich fortseßenden festen und plastischen
Erdrinde, sei also der Hydrosphäre, oder Wasserhülle, und Atmosphäre, oder Lufthülle, unver-
fürzt ihre naturgemäße Stelle eingeräumt. Und ebenso ist die Lehre vom Luftkreis erst gesund
und fruchtbar geworden, als sie dem Wahn entsagte, das Klima eines Ortes aus seinen lokal
eng begrenzten geographischen Verhältnissen verstehen zu wollen, und sich mit der höheren Auf-
fassung durchtränkte, daß „in dem bewegten Treiben der Atmosphäre keine Stelle sich isolieren
kann , jede bedingend auf die benachbarten und diese wieder zurück auf jene wirkt“. (Dove.)
Diese Auffassung der Erde, die das Feste, Flüssige und Luftförmige, sowie alles Leben,
das aus ihnen und in ihnen erblüht, als ein durc< Geschichte und ununterbrochene Wechsel-
wirkung zusammengehöriges Ganze betrachtet, stellen wir al8 organische Erdauffassung
derjenigen gegenüber, die diese Teile des Erdballes wie zufällig zusammengekommene aus-
einanderlöst und den einen ohne den anderen verstehen zu können meint. Es wäre vielleicht
der AusSdruk hologäische Erdauffassung zweifelfreier; aber wir sind der Cinführung neu-
gebildeter Fremdwörter abgeneigt.
Geosphäre, Hydrosphäre , Atmosphäre.
Die Pythagoreer, die zuerst die Kugelgestalt der Erde lehrten, nahmen an, daß das ganze
Weltall in harmonisch geordneten Kreisen um den Herd des Zentralfeuers, um die Sonne, ge-
ordnet jei. Einer solchen Auffassung lag e8 nahe, die Erde selbst wieder aus Sphären zusam-
mengejebt zu denken, die um den Erdmittelpunkt konzentrisch liegen. Der Begriff und Name
Atmosphäre ist ein Rest dieses Systems. Auch in den Lehrbüchern der Geographie und Geo-
logie von heute begegnen wir der Reihe Lithosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre. Was ist die
„Erdoberfläche“ des Geographen? fragt Richthofen, und antwortet: einmal die mathematische
Begrenzungsfläche der festen Erdrinde, der Lithosphäre; dann dieselbe, durch Hinzuziehung der
Hydrosphäre ergänzt; endlich die Gesamtheit beider, umgeben von der Atmosphäre, an deren
praktisc) unerreichbare Außengrenze wir nur mit Spekulationen hinreihen. Und, fügen wir
hinzu, nur diese leßtere, das Ganze der Erde umfassende, ist die wahre Erdoberfläche des
Geographen. Die Geologen bereichern fe sogar durch eine Pyrosphäre, d. h. das feurig-flüssige
Erdinnere, und manche fügen zwischen Wasser und Luft eine Biosphäre ein. Ein harmonisches
System im pythagoreischen Sinn, das schön ist, weil es einfach ist, und gut, weil es schön ist,
dürfen wir allerdings darin nicht mehr erbliken. Das will es auch nicht sein, es ist aber eine
große Auffassung, die zahllose Unebenheiten ausgleiht, um die großen Grundzüge der Anord-
nung der Elemente des Erdbaues so klar hervortreten zu lassen, wie sie uns allerdings im
Fernbli> von einer weit entlegenen Stelle des geistigen Horizontes erscheinen können.
Denn aus der Nähe gesehen, haben Wasser und Luft Millionen von Wurzeln in den festen
Kern getrieben, durch die sie nicht nur immer von neuem in seine Lüen eindringen und auf
das innigste mit ihm zusammenhängen, sondern ununterbrochen Teile von ihm bewegen und