Full text: Die Erde und das Leben (2. Band)

10 Cinleitung: Die organis<e Auffassung des Erdganzen. 
diesen Teilen eindringen, entstehen Zwischenformen, die fest und flüssig zugleich sind. Nennen ihrer 
wir sie beweglich. Eine Halde feinen Schuttes, von Firnfle>en gekrönt , von Schmelzwasser folge 
überrieselt, daß sie vor Feuchtigkeit in der Sonne glänzt, in der Tiefe dur< eindringendes Wasser Tem) 
fast bis auf den Grund zersetzt: das ist ein Bild solcher Durchdringung. (Vgl. das Bild „Die nahn 
Bocca di Brenta“, Bd. 1, S. 481.) Indem jene Teile des Festen sich aneinander verschieben, entstc 
können sie eine Beweglichkeit erlangen, die durch das Gewicht der Masse no< wächst: es ent- einig 
stehen Bergstürze, Muhren, Shlammströme, Sand- und Staubdünen. Diese Massen sind in Erim 
der Regel fest, wo sie tro>en und geschüßt liegen; dringt aber das Wasser in ihre Zwischen- Metc 
räume, oder erfaßt sie der Wind, so geraten sie in Bewegung, ja ins Fließen. So wandert das 
Feste mit Hilfe der Luft und des Wassers, die Höhen bewegen sich den Tiefen zu, und die Ver- 
tiefungen sind bestimmt, durch die Abtragung der Erhöhungen ausgefüllt zu werden. Der Staub 
von Vulkanausbrüchen wird über die ganze Erde getragen, und unter den befruchtenden Bestand- 
teilen des Nilschlammes weist man noch die Trümmer vulkanischer Gesteine des Hochlandes 
von Abessinien naß, Dem Gletscher folgt nach jeder Klippe, die er umfloß, ein Kometenschweif 
mitgeschleppter Gesteinsbruchstüke, und das Inlandeis setzte uns in die Lage, in Mitteldeutsch- 
land alle Felsarten zu sammeln, die von Norwegen bis Finnland vorkommen. Wie wichtig 
dieje Verflüssigung von Teilen des Festen für das Leben unserer Erde ist, das im starren Fel3- 
boden zwar Wurzel schlagen, aber keine Nahrung finden kann, möge an dieser Stelle nur an- 
gedeutet sein; die Verflüssigung von gewissen Kalk- und Kieselsalzen ist die notwendige Voraus- 
sezung des LebenS3. 
An der Erdoberfläche haben wir also drei große Gruppen von Erscheinungen: das Feste 
und das Flüssige und zwischen beiden die stofflich und räumlich den Übergang bildenden Mas- 
jen, Schutt in weitestem Sinne. Die Geschichte der Erdoberfläche ist wesentlich die Geschichte 
der wechselnden Verbreitung des Festen und Flüssigen und ihrer Mittelformen. Aber nur das 
Feste und Flüssige sind vollkommen selbständig, ihre Mittelformen dagegen nach Art, Masse 
und Verbreitung ganz von jenen abhängig. Und ebenso sind für die erdgeschichtliche Betrach- 
tung die Mittelformen immer abhängig von den festen Gesteinen der Erdoberfläche, aus denen 
sie entstanden und mit deren Verschiebungen sie gewandert sind. Es werden daher alle Erschei- 
nungen dieser Art nicht als selbständige zu betrachten sein, und man wird jeder einzelnen gegen- 
über immer die Frage aufwerfen: wie groß ist das Feste, wie groß das Flüssige in ihr? Es ist 
kein Zweifel, daß man so besser zu einer Einsicht in die wahre Natur, z. B. der Küste, dieser Dot 
echtesten abhängigen Zwischenersheinung kommt, als wenn man sie, wie üblich, als etwas 
Selbständiges auffaßt, wobei die Auffassung ganz von selbst einen abstrakten, unwirklichen 
Charakter annimmt. Sph 
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Die Übergänge zwischen fest und flüssig durch Änderung des Aggregatzustandes. vi 
Übergänge zwischen den drei Aggregatzuständen: luftförmig , flüssig , fest, kehren in den oder 
größten und fleinsten Zügen der Geschichte der Welt und der Erde wieder. Nehmen wir mit Die 
der überwiegenden Zahl der Naturforscher an, daß die Erde sich einst in gasförmigem Zustande wied 
befunden habe, so ist der Grundzug der Erdgeschichte die Herausbildung des Festen aus dem Orte 
Gasförmigen durch die Mittelstufe des Flüssigen. Luft und flüssiges Wasser erscheinen uns dann feste: 
wie die Reste älterer Zustände. Nicht bloß in einem vorgestellten, nie gesehenen und, wie es Verl 
scheint, nicht einmal zu beweisenden flüssigen Erdkern hätten wir also Zeugen jenes Urzustan- verfl 
des , sondern in der Luft- und Wasserhülle der Erde selbst. Der heutige Zustand der Erde mit sten
	        
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