Full text: Die Kunst der Gotik (7)

zu stehen scheint als die herberen und markvolleren Frühwerke des Nordens in 
Roskilde oder Linköping. Der inneren Linie nordischer Baugesinnung scheint 
die englische Wurzel des Gotischen mehr zu geben: in dem schweren, englisch 
breiten Raum des Olaf-Domes in Drontheim. Die Berührung des Orients mit 
französischen Wandermeistern, die früh im zwölften Jahrhundert einsetzt, 
endigt mit einer größeren Bautätigkeit auf Cypern; die nordfranzösische Hoch- 
gotik hat in der Domkirche von Nicosia ein bedeutendes Werk, das etwa dem 
Kreise der Notre-Dame von Paris zu vergleichen wäre, geschaffen; im Verlauf 
des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts durchkreuzen sich burgundische 
und italienische Ideen (Famagusta, St. Peter und Paul). 
Der klösterliche Nutzbau, der in diesem Zusammenhang gestreift werden 
möchte, hat im ganzen im Verlauf der Gotik an Geschlossenheit und Bedeu- 
tung seine Blütezeit romanischen Stiles nicht erreicht. Soweit nicht im Bereich 
der Ritterorden Aufgaben erwuchsen — die dem Gebiete des Burgenbaues 
zugehören — oder später aus der Initiative der Bettelorden neue Ideen für 
große Gemeinschaftssiedlungen in den Spitalanlagen entstanden, ist der An- 
teil der Klosterarchitektur mehr durch einzelne, ganz große Werke, wie den 
wundervollen Bau der Abtei Mont-Saint-Michel in der Normandie oder die 
südlich phantastische Gruppenmasse der Klosteranlage zu Batalha in Portu- 
gal (seit 1385; Abb. 361, Taf. XIX), gekennzeichnet als durch die Einheit 
einer Baugesinnung, die eben ganz im Gedanken des Kultraumes und seiner 
Außenerscheinung aufging. Wichtiger und für die künstlerische Form der 
Raumprobleme wesentlich wäre es, die Entwicklung der großen klösterlichen 
Versammlungsräume, der Refektorien oder Remter, zu verfolgen; ihrer ge- 
legentlichen Einwirkung auf den Sakralbau war anläßlichder toulousanischen 
Hallenkirche (S. 32) zu gedenken, und ihr Einfluß auf die Gestaltung der 
Profanhalle ist noch kaum geprüft. Die Grundgedanken des großen zwei- oder 
dreischiffigen gewölbten Saales führen weit in romanische Zeit zurück, die 
monumentalsten Ausformungen dürften jedoch dem dreizehnten und vier- 
zehnten Jahrhundert zugehören (Mont-Saint-Michel, Rittersaal; Marienburg, 
Konventsremter und Rittersaal, Abb. 334). Reich an intimen Raumgebilden ist 
die englische Architektur, der wohl auch die großartigsten Kreuzganganlagen 
(Gloucester, vierzehntes Jahrhundert; Abb. 279) zugehören; in spätgotischer 
Zeit hat Spanien und Portugal (Toledo, San Juan de los Reyes; Belem, Abb.365, 
366) den englischen Schmuckreichtum der reichverzierten Gewölbe und in 
A naturhafte Gespinste aufgelöster Maßwerkfenster noch überboten. Der monu- 
N mentalste Gedanke aber erwuchs aus den Kreuzgangkompositionen in Italien 
e mit dem Campo Santo in Pisa (von Giovanni Pisano 1278—1283; Taf. XVII), 
die Monumentalisierung des mittelalterlichen Kreuzgartens zu einem Trionfo 
- della Morte ist allein der Gotik würdig und konnte mit solcher Erhabenheit 
architektonischer Geste nur auf dem Boden Toskanas gedacht werden.
	        
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