Full text: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (14)

im Göttersaal, fügt sich alles recht wohl zusammen, zumal die natürliche 
Beschaffenheit des Freskos für eine gewisse Dämpfung der Gegensätze sorgte. ; 
Das branstigere Kolorit des ganz von Schülern ausgeführten Heldensaales 
ist zum Teil eben darauf zurückzuführen, daß über das reine Fresko reichliche C 
Retuschen al secco gelegt wurden. — Der König, der später die ihm vorge- L 
flüsterte Entdeckung machte, daß Cornelius „kein Maler‘ sei, wiederholte n 
ein triviales Mißverständnis. Gegen den elenden Kaulbach hat er diesen Vor- l 
wurf nicht erhoben. 6 
Über den großen Arbeiten, die Cornelius seit seiner Rückkehr nach Deutsch- . 
land auszuführen hatte, waltete ein Unstern. Sie alle waren mit Enttäuschung 
und Ärger vermengt. Und dieses hing wesentlich mit dem Charakter des 
Künstlers zusammen, der hochgesinnt und stolz, aber nicht gerade ein emsiger 
Arbeiter und noch weniger ein gewandter Organisator der Arbeit war. Mit 
dem Hin und Her zwischen Düsseldorf und München und mit den wiederholten ' 
Entweichungen nach Rom wurde zudem kostbare Zeit vertan und die not- ' 
wendige Fühlung mit den leitenden Personen und den ausführenden Kräften ; 
verloren. An die Glyptothekfresken schloß sich die Ausmalung der Loggien 
der Pinakothek, eine große Aufgabe, die Cornelius mit sprudelnder Phantasie, 
angeregt durch Raffael, in einer Reihe von meisterlichen Kartons vorbereitete, 
deren malerische Ausführung dann aber durch Clemens Zimmermann nur 
unvollkommen geriet. Sie fanden daher nur mäßigen Beifall und sind der ‘ 
Besichtigung für gewöhnlich entzogen. Die nächste und größte Aufgabe, 
die Cornelius in München gestellt wurde, die Ausmalung der Vierung und des ' 
Chors der Ludwigskirche, war gleichzeitig die letzte, die ihm der König gab. 1 
Kein Werk des alten Meisters ist so verschieden beurteilt worden. Nach dem 
schnöden Unverständnis der Impressionisten fand es noch bei Cornelius’ letztem ' 
Biographen Alfred Kuhn eine durch wenige Vorbehalte gemilderte Ableh- " 
nung. Nun hatte sich freilich die Gesinnung des Meisters gewandelt. Auf ® 
das revolutionäre Vorwärtsdrängen der Faustzeichnungen und die pathetische 
Leidenschaft der Glyptothekfresken war Abgeklärtheit gefolgt. Aber die > 
Größe der Gesinnung war geblieben, die Kraft nicht erlahmt und die Leiden- € 
schaft keineswegs erloschen, vielmehr gezügelt. Wenngleich nun die Fresken } 
der Wölbung und der Seitenschiffe, durch die buntflaue Ausführung minderer 
Schüler beeinträchtigt, für die Bewertung im Werke des Cornelius weniger 
in Betracht kommen, so bleibt doch das Jüngste Gericht an der Rückwand 
des Chors als eigenhändige Arbeit von hoher Bedeutung. — Das Thema ist 
im Sinne der Tradition und in einer fernen Erinnerung an Michelangelo und r 
Rubens, jedoch ganz selbständig, aufgefaßt als der Richterspruch Christi, a 
der die Begnadeten zu sich herauflädt und die Verdammten zur Unterwelt 
hinabschickt (Abb. 426). Alles ist voller Bewegung, zugleich aber so symmetrisch 
geordnet, daß dadurch ein Element der Ruhe eintritt, wie es die architek- 
tonische Funktion des Bildes in der Mittelachse des Baues erwünscht macht. 
In demselben Sinne illusionsfeindlich wirkt die Steigerung des Maßstabs der 
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