Landschaft hergestellt wird — das Gegenteil von dem, was eine klassische
Kunst will.
Besonders merkwürdig ist das Verhalten beider Richtungen zur Geschichte,
da es Mißverständnisse nahelegt. Sowohl der Klassizismus wie die Romantik
beziehen sich auf historische Formen. Der Klassizismus scheint dies sogar
vorzugsweise zu tun, da er sich ausschließlich der Formensprache der Antike
bedient. Dennoch bedeutet das Historische für ihn weniger als für die Roman-
tik, denn er faßt die Antike eben nicht historisch auf, sondern als ewig lebend
und gegenwärtig. Allerdings ist das Leben antiker Kunst nie völlig erloschen.
Sie verändert sich unter Wahrung der Grundzüge ihres Charakters, um all-
mählich und unmerklich in Formen überzugehen, die wir als mittelalterlich
bezeichnen. Der romanische Stil verwendet noch überwiegend Formen antiken
Ursprungs. Im Süden wie im Norden wird periodisch und absichtsvoll eine
neue Annäherung an die Antike versucht; auch unter der Herrschaft der Gotik
lebt mehr oder minder umgestaltet die Antike weiter, während gleichzeitig
das Lateinische als Sprache der Kirche und der Wissenschaft ununterbrochen
weiter gesprochen und geschrieben wird. Die Renaissance brachte also nicht
die Wiedergeburt von etwas Abgestorbenem, sondern die Rückkehr zu nie
versiegten Quellen. Dabei ging die Literatur weiter als die bildende Kunst.
Die Philologie des Humanismus stellte durch sorgfältige Ergründung der
grammatikalischen und syntaktischen Gesetze die klassischen Sprachen für
den gelehrten Gebrauch in einer Reinheit wieder her, von der die Kunst
einstweilen noch entfernt blieb. Eben hierdurch wurde indessen das Latein,
das bis dahin mundartlich abgewandelt worden war, erst recht zu einer toten
Sprache. Die bildenden Künste formten dagegen, eben weil sie nicht von
Gelehrten betrieben wurden, das antike Vermächtnis alsbald wieder um und
weiter. Ein doktrinär puristischer Zug erscheint allerdings schon bei Palladio.
Er ist der große Vorläufer des Klassizismus. Doch es währt noch zwei Jahr-
hunderte, bis dieser einsetzt. Und nun erst vollzieht sich in der bildenden
Kunst jener Prozeß, den lange zuvor die italienischen Humanisten in der
Sprache eingeleitet hatten. Man tritt der Antike aus einer bewußten Distanz
gegenüber und untersucht sie mit leidenschaftlichem Eifer, doch ohne Naivität,
vielmehr in dem Gefühl einer Verpflichtung, um ihre Formen in aller Reinheit
festzustellen und so in der Gegenwart zu gebrauchen. Es ist das Finale im
Fortleben der Antike, die Wiedergeburt der nunmehr wirklich Unter-
gegangenen. Der Vorgang ist dem Alpenglühen vergleichbar, das auf kühlen
Höhen aufleuchtet, nachdem die. Sonne hinter dem Horizont versunken ist.
Der Rest ist kalte Nachahmung.
Diese letzte reinste Verkörperung der Antike ist eng verknüpft mit der
Wissenschaft. Der Klassizismus wird von der Archäologie wie von einer
fürsorgenden Schwester genährt. Wenngleich nun aus dieser Verbindung
Kunst und Altertumskunde wechselseitig Förderung gewannen, ja, wenn
man sogar von hier aus die Kunstgeschichte, wie wir sie heute verstehen,
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EC