SE —— ein
DIE A RCHI TE KT U R
ge]
ge]
ein
ho
Die Wirksamkeit der antiken Bauformen ist in Europa nie erloschen. Sie gen
leben umgestaltet in den Jahrhunderten des Mittelalters weiter, bis sie im Ku
fünfzehnten Jahrhundert zuerst wieder von der Sehnsucht italienischer wie
Künstler aufgesucht, sorgsam vermessen und in der Reinheit ihrer ursprüng- der
lichen Gestalt nachgebildet werden. Diese Bemühungen um die Wieder- ZW
belebung einer schlummernden Welt der Schönheit haben der Kultur ihres lic]
Zeitalters den Namen verliehen. Soweit es sich dabei um Baukunst handelt, W
erreichen sie ihre Höhe und ein vorläufiges Ziel in dem Lebenswerk Andrea
Palladios (1518—1580). Es ist nicht die Mannigfaltigkeit der Begabung gl
oder die Lebendigkeit der Phantasie, die ihn über die anderen erhebt, sondern Vi
der Ernst seiner Hingabe an das antike Vorbild und die Reinheit, mit der er Zu
dessen Formensprache spricht. Zum Unterschied von den meisten der ihm So
Vergleichbaren ist er im modernen fachmännischen Sinne nur Architekt. eir
Er ist es so sehr, daß er sich um die Ausschmückung von Innenräumen oder eir
um die dekorative Belebung der Bauformen im einzelnen nicht bekümmert. ha
Seine vier Bücher der Architektur, die er 1570 in Venedig veröffentlichte, un
und die einen großen Teil seines Lebenswerkes in schönen Umrißholzschnitten er
darstellen, handeln nur vom Organismus seiner Bauten in der Reinheit ihrer G]
Gliederung, wie sie sich in Fassaden und Grundrissen darstellt. Anhangweise als
zeigt er gleichsam als Belegstücke einige Aufnahmen und Wiederherstellungen ke:
antiker Bauten. Sein Adel in der Ausbildung jedes Baugliedes, sein sicheres Le
Gefühl für die Harmonie aller Verhältnisse sind unerreicht geblieben. Für eir
jeden, der sich der Formensprache antik-römischer Architektur für die Be-
dürfnisse einer späteren Zeit bedienen wollte, war Palladio seither die hohe eir
Schule. Ein Meister der Schule allerdings, ein Akademiker, regelstolz und Vo
doktrinär, aber einer, der auf südliche Art Nüchternheit mit Anmut ver- be‘
band und mit echter Schöpferkraft beseelte. Für alle die verschiedenen sei
Aufgaben, die seine Zeit ihm stellte, fand er vollendete Lösungen. Seine Ba
venezianischen Kirchen fügen sich mit ihren Kuppeln, ohne ihre Klassizität de
im mindesten zu verleugnen, in das halborientalische Gesamtbild ihrer Um- da
gebung wunderbar ein, er ersinnt eine (nicht ausgeführte) Götterbrücke für He
den Rialto, seine Vicentiner Paläste sind die adligsten Wohnhäuser ihrer zÖf
Zeit mit ihren schlanken Pilasterfassaden, seine Villen mit weit ausgreifenden de
Flügelbauten der vollkommene Ausdruck des Herrensitzes, dem die Fluren Ar
ringsumher zu fronen haben. Seine Rotonda auf sanfter Anhöhe vor den Toren WC
Vicenzas ist die Idealform des Landhauses, das zum heiteren Lebensgenuß Gl
IA