Full text: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (14)

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Die Wirksamkeit der antiken Bauformen ist in Europa nie erloschen. Sie gen 
leben umgestaltet in den Jahrhunderten des Mittelalters weiter, bis sie im Ku 
fünfzehnten Jahrhundert zuerst wieder von der Sehnsucht italienischer wie 
Künstler aufgesucht, sorgsam vermessen und in der Reinheit ihrer ursprüng- der 
lichen Gestalt nachgebildet werden. Diese Bemühungen um die Wieder- ZW 
belebung einer schlummernden Welt der Schönheit haben der Kultur ihres lic] 
Zeitalters den Namen verliehen. Soweit es sich dabei um Baukunst handelt, W 
erreichen sie ihre Höhe und ein vorläufiges Ziel in dem Lebenswerk Andrea 
Palladios (1518—1580). Es ist nicht die Mannigfaltigkeit der Begabung gl 
oder die Lebendigkeit der Phantasie, die ihn über die anderen erhebt, sondern Vi 
der Ernst seiner Hingabe an das antike Vorbild und die Reinheit, mit der er Zu 
dessen Formensprache spricht. Zum Unterschied von den meisten der ihm So 
Vergleichbaren ist er im modernen fachmännischen Sinne nur Architekt. eir 
Er ist es so sehr, daß er sich um die Ausschmückung von Innenräumen oder eir 
um die dekorative Belebung der Bauformen im einzelnen nicht bekümmert. ha 
Seine vier Bücher der Architektur, die er 1570 in Venedig veröffentlichte, un 
und die einen großen Teil seines Lebenswerkes in schönen Umrißholzschnitten er 
darstellen, handeln nur vom Organismus seiner Bauten in der Reinheit ihrer G] 
Gliederung, wie sie sich in Fassaden und Grundrissen darstellt. Anhangweise als 
zeigt er gleichsam als Belegstücke einige Aufnahmen und Wiederherstellungen ke: 
antiker Bauten. Sein Adel in der Ausbildung jedes Baugliedes, sein sicheres Le 
Gefühl für die Harmonie aller Verhältnisse sind unerreicht geblieben. Für eir 
jeden, der sich der Formensprache antik-römischer Architektur für die Be- 
dürfnisse einer späteren Zeit bedienen wollte, war Palladio seither die hohe eir 
Schule. Ein Meister der Schule allerdings, ein Akademiker, regelstolz und Vo 
doktrinär, aber einer, der auf südliche Art Nüchternheit mit Anmut ver- be‘ 
band und mit echter Schöpferkraft beseelte. Für alle die verschiedenen sei 
Aufgaben, die seine Zeit ihm stellte, fand er vollendete Lösungen. Seine Ba 
venezianischen Kirchen fügen sich mit ihren Kuppeln, ohne ihre Klassizität de 
im mindesten zu verleugnen, in das halborientalische Gesamtbild ihrer Um- da 
gebung wunderbar ein, er ersinnt eine (nicht ausgeführte) Götterbrücke für He 
den Rialto, seine Vicentiner Paläste sind die adligsten Wohnhäuser ihrer zÖf 
Zeit mit ihren schlanken Pilasterfassaden, seine Villen mit weit ausgreifenden de 
Flügelbauten der vollkommene Ausdruck des Herrensitzes, dem die Fluren Ar 
ringsumher zu fronen haben. Seine Rotonda auf sanfter Anhöhe vor den Toren WC 
Vicenzas ist die Idealform des Landhauses, das zum heiteren Lebensgenuß Gl 
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