Full text: Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (14)

Eindrücke aus. Schließlich aber liebt die Romantik es, ihre Wirkung durch n 
Nebenabsichten zu bereichern. Das romantische Kunstwerk stellt nicht wie a 
das klassische ganz einfach dies oder jenes dar, es soll auch noch etwas be- Ü 
deuten, was außerhalb seiner Sphäre liegt. Und auf diese Nebenabsicht wird e 
bisweilen ein so großes Gewicht gelegt, daß darüber die Hauptsache, eben die ; 
Form, verkümmert. Klassisch ist es gedacht, wenn z. B. Hansen seine Frauen- 1 
kirche als dorischen Tempel baut, da er im dorischen Stil nun einmal den d 
erhabensten Ausdruck der Architektur erblickt. Romantisch war dagegen } 
König Ludwig gesonnen, wenn er für die Basilika in München (Tafel XIV) den } 
Stil des italienischen Mittelalters vorschrieb, in der Meinung, daß ein reinerer : 
katholischer Glaube sich dieses Stils bedient habe. So liebt die Romantik die 
bedeutungsvolle Maskerade; keine Stadt der Welt ist voller davon als München. 1 
Der erste Anstoß zu romantischer Architektur ging von England aus, und 
zwar von dem repräsentativen Träger englischer Kultur im achtzehnten Jahr- 
hundert, dem Landedelmann. Der hohe und niedere Adel beherrschte im 
Bunde mit dem von ihm kulturell abhängigen höheren Bürgertum das britische 
Weltreich. Die vornehmsten Sitze dieses Adels waren vor Jahrhunderten in 
einem national umgeformten gotischen Stil erbaut, der sich lange noch erhielt, 
als die auf Reisen gebildeten großen Herren bereits mit erfolgreichem Eifer 
um die Einführung des italienischen Palaststils bemüht waren. Nun fing man X 
an, des Klassischen als eines Eindringlings ein wenig müde zu werden und sich t 
mit Stolz der alten heimischen Art zu erinnern. Als erster der Landsitze, die C 
aus solcher Gesinnung in rein gotischem Stil erwuchsen, wird Strawberry Hill Ss 
von Horace Walpole genannt. Da nun Walpole ein vielgelesener Schriftsteller c 
und Orakel des guten Geschmacks war, so fand er Nachahmung, und um so ; 
eher, als man es fühlen mußte, wie die breitgelagerten mittelalterlichen Schloß- 
bauten mit Toren und Türmen eine innigere Verbindung mit dem zu freier 
Landschaft gestalteten Park eingingen als die Tempelfronten der palla- ı 
dianischen Paläste. " 
Die Architekten betraten zögernd den neuen Weg. Zu stark wirkte das T 
Gewicht der klassisch gerichteten Schule. Anfänglich bauten sie nebeneinander K 
klassisch und romantisch-mittelalterlich. Bald aber fanden sich überzeugte C 
Gotiker, die sich namentlich des Kirchenbaues bemächtigten. Freilich behielt 
der Klassizismus bis gegen Ende des Jahrhunderts das Übergewicht, aber 
zeitweise, in den dreißiger und vierziger Jahren, machte ihm die romantische ; 
Bewegung ernstlich den Rang streitig. 
Unter den Schloßbaumeistern sei Robert Morris genannt; von ihm rührt 
das weitläufige Inverary Castle in Schottland (Abb. 228) her, in dem man einen 
Vorläufer der romantischen Baukunst erblicken mag. Sein Erbauer war sonst 
Klassizist, ebenso wie George Dance (1741—1825) und Charles Barry 
(1795—1860), die in einzelnen berühmten Bauten die Gotik anwendeten. 
Dance freilich beherrscht in der Londoner Kirche St. Bartholomew (Abb. 220) 
und in der Guildhall (Abb. 231) die mittelalterlichen Formen noch keineswegs; 
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