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Die Dampfturbinen.
Die Arbeitsmaschinen, welche durc) Dampfmaschinen angetrieben werden, ver-
langen größtentheils eine kreisende Bewegung, und es ist deShalb die hin- und
hergehende Bewegung des Kolbens bei dem größten Theil der Arbeit3maschinen
in eine drehende Bewegung der Kurbelwelle umzusezen. Wir haben bereits davon
gesprochen, daß diese Umsezung einer drehenden in eine hin- und hergehende
Bewegung durch Zwischenglieder und Einrichtungen erfolgen muß, die einen mehr
oder weniger großen Verlust an Arbeit bedingen. Es wurde deShalb immer
wieder versucht, Dampfmaschinen zu bauen, welche eine unmittelbare drehende
Bewegung haben. Alle Dampfmaschinen dieser Art, die sogenannten rotierenden
Dampfmaschinen, haben jedoch eine so geringe Nutwirkung gezeigt, daß man von
ihrer Einführung Abstand nahm. Fast bei allen solchen Maschinen war eine
Dichtung zwischen Kolben und Gehäuse nicht zu erzielen, und die Spannkraft des
Dampfes konnte de8halb in den Maschinen nicht ausgenußt werden. Man ver-
juchte es auch, einen kreisenden Motor nach Art der Turbine für den Dampf
anzuwenden. Zunächst war der Erfolg ein sehr geringer, und man konnte nur
einen kleinen Theil der Kraft, welche in dem gespannten Dampf aufgespeichert ist,
in der Turbine nußbar machen.
Nur durch Anwendung außergewöhnlicher Umdrehungsgeschwindigkeiten kam
man zu besseren Resultaten. Ein Motor mit sehr hohen Umdrehungsgeschwindig-
keiten macht aber eine starke Uebersezung ins Langsame erforderlich. Erst in
neuerer Zeit gelang es, Dampfturbinen zu bauen, bei denen der Dampf-
verbrauch in angemessenen Grenzen sich hält. Man kann nach L. Klein*) zwei
Arten von Dampfturbinen unterscheiden:
1. Dampfturbinen, welche die ganze vorhandene Dampfspannung auf einmal
ausnußen und innerhalb eines Laufrades in eine hohe Geschwindigkeit umsegen;
2. Dampfturbinen, welche die vorhandene Dampfspannung stufenweise
ausnußen.
Von den beiden Dampfturbinenarten sollen nachstehend je eine der Haupt-
vertreterin besprochen werden. Von der ersteren Art ist es die
Dampfturbine von Gustave de Laval in Stockholm, die bisher am meisten
Anwendung gefunden hat und auch als die vollkommenste der Dampfturbinen
bezeichnet werden kann. Die Schwierigkeiten, welche sich dem Bau einer brauch-
baren Dampfturbine entgegenstellten, hat de Laval dadurch gelöst, daß er die
Kraft, die in dem gespannten Dampf aufgespeichert ist, in die größte erreichbare
Geschwindigkeit umsegte, bevor noh der Dampf in das Turbinenrad eintritt.
Um diese Geschwindigkeit auszunuen, gab de Laval seinem Motor eine Dieser
Dampfgeschwindigkeit entsprechende Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades unter
Vermeidung jeder Abdichtung der beweglichen Theile. Es war aber ein Hinderniß,
*) Siehe „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“, 1895.