Interesseloses Interesse.
Um aus diesem Schein von Widerspruch herauszukommen,
habe ich einen paradox klingenden Ausdruc gewagt: interesse-
loses Interesse. Das Schöne ist ja Bild und nur Bild,
Scein und nur Schein, nur ein Scheinbild von Leben. I<
sehe auf einem Gemälde nicht wirkliche Leute, im Theater
nicht wirkliche Vorgänge; sondern bloßen Schein. Aber darum
ist es kein leerer Schein. Das Schöne jagt uns etwas vom
Gehalt des Lebens, es ist eine Erscheinung, ein Scein, in dem
Inhalt erscheint; nur ist es nicht der einzelne Fall, nicht eine
empirische Wahrheit, was es uns vor die Seele stellt, sondern
es ist immer eine innere und allgemeine Wahrheit. Wir lassen
uns im Schönen alles gefallen: Bilder aus der alten Mytho-
logie, Götter, Genien. Das spielt eine unendliche Rolle in
Skulptur , Malerei, Poesie. Wir Protestanten lassen uns die
Auffassung der Katholiken gefallen und kämpfen nicht dagegen.
Wir entzücken uns im Anbli> der sixtinis<en Madonna Raphaels,
wir alle, denen es doh nicht einfällt, an den Marienmythus
zu glauben. Wir wissen, hierin hat der alte Mythenglaube an
weibliche Gottheiten auf das Christentum eingewirkt. Aber
danach fragen wir nichts, wenn wir die sixtinische Madonna
sehen. Da handelt es sich nicht um Wahrheit in dem Sinne
des katholischen Glaubens an die Mutter Gottes, jondern um
eine innere, allgemeine Wahrheit. Wir sehen das Weib, das
al3 Mutter rein wie eine Jungfrau bleibt, das hohe Bild weib-
licher Reinheit, edelster Jungfräulichkeit. Das ist die allgemeine,
die innere Wahrheit, die wir hier erfahren. Wir brauchen auc<
feinen Teufels glauben, um uns zu entsezen an Teufelsbildern.
-- Der Dichter, der Maler lügt uns an, daß wir blau werden
fönnten, und wenn er auch einen historischen Fall behandelt.
Er bildet ihn um na<h seiner Phantasie; er fingiert ja. Also
von einer eigentlihen, trodenen Wahrheit ist bei ihm nicht die
Rede, aber von einer allgemein menschlihen Wahrheit. Denken
Sie 3. B. an Hamlet und Tell und an das allgemein Wahre
in diesen Werken Shakespeares und Schillers. Diese Wahrheit
ist wohl zu unterscheiden von der historich empirischen Wahrheit.
Im Schönen ist alles nur so gethan, doc<h im Dienst einer
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