“| Erster Teil. 8 5.
höheren, allgemein menschlihen Wahrheit. Ebendeshalb ist es
jo komisc<, wenn Leute uns den Jnhalt eines Romans oder
Dramas im Präteritum erzählen, als ob es historisch zu nehmen
wäre: Dann ist er gekommen, dann hat er gekämpft u. s. w.
Das klingt, als ob es geschehen wäre. Es ist aber bloß fingiert;
und darum soll man es, wie gesagt, im Präsens erzählen *).
Wir werden vom Schönen aufs tiefste gerührt und doch ganz und
gar nicht stoffartig. Zum Beispiel ein Schauspieler soll darstellen
einen Seelenzustand, eine tiefe Leidenschaft. Wenn er nun keine
warme Seele hat, um sich recht hinein zu versehen, so wird
jein Spiel kalt oder nüchtern sein, wird als gemacht erscheinen.
Und sicher ebenso wahr ist das Gegenteil: wenn er Zorn dar-
zustellen hätte und er wäre wirklich zornig, over Jammer und
er wäre wirklich unglüselig in seiner tiefsten Seele, wie sollte
er dann die Fassung finden, seine Rolle zu überwachen?
Cin Schauspieler hat einmal gesagt, er müsse sich auf der
Bühne jo in der Gewalt haben, daß er mitten im Zuge, den
äußersten Sturm der Leidenschaft darzustellen, doch innerlich
müsse lächeln können. Das ist Uebertreibung einer Wahrheit.
Gewiß, er muß in jedem Moment seine Mienen und Be-
wegungen in der Hand haben, um sie künstlerisch zu leiten. Sonst
würde er sich in blindes Toben verlieren; das wäre pathologisch.
Jet haben Sie also einen scheinbaren Widerspru<ßh. Er muß
ganz drinnen sein und zugleich ganz darüber schweben. Das
wird er aber als guter Schauspieler vermögen. Helle Be-
jonnenheit und volle Wärme gehen ganz gut zusammen.
Wenn ein Dichter in einem Roman, in einer Novelle
Seelenbewegungen darzustellen hat und nicht sein Inneres voll
hinzugibt, sein ganzes Selbst nicht hineinlegt, so wird sein Werk
nichts, so bleibt es kalt. Dennoch darf er aber nicht ganz in
die Leidenschaft aufgehen, sondern er muß sich bei aller Ver-
jezung die Freiheit reservieren. Mit einem Fuß drin und mit
einem Fuß heraußen! Das ist aber nur ein armer Ausdrud,
und wir sehen an diesem Punkt wieder einmal, wie wenig der
NERgal. oben S. 44, 45.
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