Personifikation der Natur. 42"
und sein Nervenleben draußen in der Natur zu vibrieren scheint.
Dafür ist ein Beispiel, wie Othello, ganz vom Verdacht ver-
giftet und überzeugt, daß sein Weib schamlos gewesen, in der
sur<tbaren Scene, wo er sie verhören will, sie statt dessen mit
den entseßlihen Worten niederschmettert:
Der Buhler Wind, der küßt, was ihm begegnet,
Verkriecht sich in die Höhlungen der Erde
Und will nichts davon hören.
Der Sturm im König Lear ist kein Sturm, der bloß auf-
geboten ist, um einen Effektschlag hervorzubringen. Hier meint
man, die Natur selber wolle in das Chaos zurücksinken. Da
in der Mensc<heit die Barbarei so gewachsen ist, daß dieser
Greis in das Gewitter hinausgesperrt wird, meint man, die
Natur wolle selbst wahnsinnig werden.
Macbeth, zum Morde sc<hreitend, spricht die Worte:
„Du festgegründet sichrer Bau der Erde,
Hör meine Schritte nicht, wo sie auch wandeln,
Damit nicht deine Steine selbst verschwaßen
Mein Wohinaus.“
3m Lied von der Glo>ke sagt Schiller von der Feuers-
brunst: „Denn die Elemente hassen das Gebild der Mensc<en-
hand.“ Dies ist schön und ist gründlich unwahr. Die Elemente
hassen nicht, und sie lieben nicht. Aber das ist Poesie; da ist
Seele, Stimmung, Leidenschaft hinübergetragen in die Natur.
Diesem Hinübertragen und Unterlegen verdanken wir ja
die ganze Götterwelt. Die Götter sind ursprünglich rein gar
nichts als Naturpotenzen. Wenn die Alten in der Natur das
Heilsame oder das Schädlihe, unheimlich Verlo>ende , in die
Tiefe Hinabziehende sahen, so hielten sie es nicht anders für
möglich als mit der Vorstellung: dahinter muß ein Wesen sein,
das, wie wir Menschen, liebt und haßt. Jupiter ist ursprüng-
lim gar nichts als das Himmelsgewölbe. Erst später und nach-
träglih wird er der die Weltordnung gründende Gott. Der
Unterschied zwischen uns und jenen Naturvölkern ist nur der, daß
wir, wenn wir auf diese Weise die Natur beseelen, es thun mit
dem unbewußten Vorbehalt: es ist nicht eigentlicher Ernst (sonst
<...>
=