EE Erster Teil. 88.
z. B. kann absc<hnappen, oder zu lang fortdauern. Man muß
den überzeugenden Eindru> haben: hier ist das Stimmungs-
ganze zu Ende geführt.
Ferner ein Drama. Es greift in die Geschichte hinein,
und die läuft do< fort. Die Geschichte der Niederlande ist vor
dem Zeitpunkt gewesen, wo Goethes Egmont anfängt, und ist
nachher auch weiter gegangen. Da kann sich nur der feinste
Sinn sagen: bis hierher und nicht weiter. Shakespeares
Hamlet schließt damit ab, daß die gesells<aftlihe Ordnung
dur< einen braven Mann wieder hergestellt ist. Und das ist
gut. Weiter braucht man nicht zu fragen; das Weltbild ist
doh da.
Denken Sie auh an die Einfassungen des Kunsthandwerks,
z. B. an Bucheinbände, Vertäfelungen u. dergl. Unsere Auf-
merksamkeit ist seit einiger Zeit wiederum besonders darauf ge-
richtet. Das Auge will einen Abschluß, eine Beruhigung, ein
Punktum haben.
Die zweite Bestimmung unseres Paragraphen ist das Maß.
Das bezieht sich auf Raum (Größe), Zeit (Länge und Kürze
der Dauer) und Kraft (welche eigentlih au< s<on weiter
führt).
Ein Kunstwerk soll nicht zu groß und niht zu klein
sein ). Ueberschreitet es durc< Größe die Fassungskraft unserer
Sinne und inneren Vorstellung, so schadet es sich selbst.
Die antike Kunst ging zuletzt sehr ins Kolossale. Einer
der Kolosse von Rhodos, der nicht über dem, sondern am Hafen
stand, ein Werk des Chares, maß 70 griechische Ellen. Das sind
105 Fuß. Von Nero gab es eine Bildsäule, die war 110 Fuß
ho< und hieß der Koloß. Sie stand an der Nordseite des
römischen Amphitheaters. Daher wurde dieses Colosseum ge-
nannt. Ein Gemälde Neros hatte gar 120 Fuß Höhe. Ein
Gemälde von Horace Vernet in Versailles, die Wegnahme der
Smalah, ist 60 Fuß lang. Bei dieser Kolossalität sehen wir
fast nichts. Wollen wir das Ganze überschauen, so müssen wir
1) Vgl. Aristoteles, Poetik VI, 101.
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