Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

1. Exster Teil. 8 8. 
geschieht in Schaudertragödien, worin sich starke, wilde, grasse 
Effekte häufen. Auc< Richard Wagner verletzt und ermüdet das 
Kraftmaß der Nerven, die Auffassungsfähigkeit des Gefühls. 
Die Stimmen der Sänger werden bei ihm hin. Das wirkt 
schließlich, daß man Arbeit hat statt Genuß. 
Als ein Moment der Form bestimmt der Paragraph drittens: 
klare Teilung des Vielen. 
Alles Schöne ist mannigfach. Eine einzelne Farbe nennen 
wir wohl auch schön, namentlich wenn sie rein ist; ebenso einen 
einzelnen Ton. Dies ist aber ein ungenauer Gebrauch des 
Worts. Da nimmt man es nicht voll genug. Wie früher klare 
Umgrenzung des Ganzen verlangt wurde, so verlangen wir nun 
auch klare Sonderteilung innerhalb des Gegenstands. Zst Form 
zur Einheit zusammengefaßte Vielheit, so haben wir an etwas 
ganz Einfachem, woran nichts zu unterscheiden ist, auch nichts 
Schönes. Nun gibt es auf der Welt ohnedies nichts ganz 
Einfaches; und alles Schöne ist ein Verhältnis von Formen, 
Farben, Tönen; alles Schöne enthält eine Vielheit, die indem 
sie irgendwie geordnet und geschlossen ist, sich als solche doch 
wesentlih bekundet. Statt Vielheit jedoc< sagen Sie besser 
Mannigfaltigkeit, denn die Teile, woraus sie besteht, sollen 
unter jim nicht gleich, sondern mannigfaltig sein. Wesentlich ist 
aber, daß die Teile sich deutlich, klar, bestimmt voneinander ab- 
heben. Auch nach dieser Seite darf das Kunstwerk nicht ver- 
schwimmen. 
„Wer teilt die fließend immer gleiche Reihe 
Belebend ab, daß sie sich rhythmisch regt 2" 
Die Architektur 3. B. will nichts, was ohne bestimmte 
Markierung und Einfassung in anderes übergeht. Zu den wider- 
wärtigsten Dingen gehört es, wenn an einem Gebäude das 
Kranzgesims keine energishe Ausladung und Gliederung hat. 
Das ist wie ein Gesiht ohne Augbrauen. =- So wollen wir 
Einfassung an den Tapeten, an den Möbeln. Die Füllungen 
an einem Schranke müssen voneinander abgehoben sein durch 
Leisten; sonst sind sie wie ein Saß ohne Interpunktion. -- Die 
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