Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

168 Erster Teil. 8 10. 
nicht als Göttin des spielenden Liebreizes , des Affektes der 
Liebe, sondern als Weltmacht, als die verbindende Kraft in 
der ganzen göttlihen Natur. Auch Jphigenie ist anmutig und 
zugleih hochedel in ihrem ganzen Wesen und Thun. -- Eine 
Verbindung von Anmut und Würde stellten die Griechen be- 
jonders in der Here vor. Lesen Sie, was Schiller sagt von 
jener wundervollen Büste der Juno Ludovisi in seiner Schrift: 
„Aesthetis<e Erziehung des Mensc<hengeschlechts!“ Hier ist in 
weiblicher Anmut die höchste göttlihe Würde enthalten. Im ge- 
reiften Weib überhaupt haben wir diese Verbindung, in dem 
Weib, das von der harmlosen Lieblichkeit der Jungfrau über- 
getreten ist in das Leben und sich dort zur vollen Blüte und 
Charaktergröße entwidelt hat, ohne den holden Reiz eingebüßt 
zu haben. 
Kehren wir nun das Verhältnis um! Stellen Sie sich 
Würde mit Anmut vor, Männlichkeit, die mit der Stärke die 
Weichheit der Sitte vereinigt, geschmeidigte, gesänftigte Härte 
des Charakters. Denken Sie an den Spruch: fortiter in re, 
Suaviter in modo. So muß einst Perikles gewesen sein, von 
dem die Zeitgenossen vor allem die reinste Würde in der Er- 
jheinung rühmen. Wer gesehen hätte, wie der den Mantel 
hielt auf der Rednerbühne, wie der sich bewegte und sprach, 
er hätte gewiß Würde mit Anmut gesehen. =- Die Riesenstatue 
des Zeus in Olympia, wie hat sie Phidias behandelt? Das 
Haupt in gnädigem Nicken vorgeneigt. Es ist aber do<h das 
Haupt des Welterschütterers. Wenn er die Augenbrauen erhebt, 
jo donnern die Himmel. 
Werfen wir noh einen Bli> auf die Natur. Die Linde, 
ein starker, gewaltiger Baum, aber mit zartem, leicht spielen- 
dem Laubwerk. Hohes Gebirg mit weichen Linien; bei Palermo 
der Monte Pellegrino, der mit so wunderbar melodischem Linien- 
s<wung gegen das Meer abfällt. -- Dann die Tierwelt! Das 
Roß. Sein ganzer Körper stark wie Stahl und doc< in lauter 
wohlgefälligen Kurven verlaufend. Diese Eleganz bei allem 
Feuer der Bewegung! Es ist am Ende doch das schönste Tier. 
Das Schöne mit seiner Anmut kann sich sogar dem Gräß- 
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