Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

1408 Erster Teil. 819. 11. 
mung betrachten wir ferner die gemütlichen Haus- und Wiesen- 
bildhen von unserem Ludwig Richter. Wie wohl ist es uns 
bei seinen Philistern, Bäuerlein , Kindern und Haustieren. 
Denken Sie au< an Anakreon3 Lied von der Cykade, an das 
vergnügte Schulmeisterlein Wuß von Jean Paul. 
Aber auch mit dem Furctbaren, Scauerlihen kann sich 
das Komische vereinen. Stoffe solcher Art liebt hauptsächlich 
der tiefere Humor; und sc<hon bei den Alten sind sie da. Ein 
Beispiel findet sich bei Homer. Odysseus ist zurückgekommen. 
Athene verwandelt ihn in einen lumpigen Bettler. Sein Weib 
widersteht den Freiern. Diese prassen in seinem Hause und 
verhöhnen ihn. Ktesippos schleudert einen Kuhfuß nac< ihm. 
Odysseus weicht aus und birgt mit schre>lihem Lächeln den 
Zorn. Sein Sohn Telemach, der ihn erkennt, antwortet mit 
troßigen Reden und widersieht mannhaft. Ein Gemis<h von 
Jubel und Scauer liegt in den Versen: 
„Und sc<on lachten sie alle, verzerrt ihr grinsende3s Antlik. 
Blutbesudeltes Fleisc< nun aßen sie; aber die Augen 
Waren mit Thränen erfüllt, und das Herz umschwebete Jammer." (20, 345.) 
Wie in unserer Welt die Gegensätze des Furchtbaren und 
de3 Komischen zusammensc<hießen können, das habe ich einst in 
Zürich erlebt, als während eines Maskenfestes eine Feuersbrunst 
ausbra<. Da waren Fasc<hingsnarrheit und Tod aneinanderge- 
rückt. Als Hauptbeispiele dieser Gattung nenne auch ich die Kirh- 
hofsscene im Hamlet, ein Meisterstü> höchster Poesie, unendlich 
stimmungsvoll , und die Scene, wie der wahnsinnige Lear mit 
dem Narren in der Sturmnacht umherirrt. Dann diese Ver- 
bindung in einer Person! Richard I11., ein Wüterich ohnegleichen 
und daneben ein Spaßmacher, ein Hanswurst der Hölle. So 
Mephistopheles: der Teufel =- und der Teufel komisch. 
Aber es ist nicht bloß Verbindung, die Gegensäße fließen 
ineinander über. Der zarte Baum wird zum starken, das an- 
mutige Tier zum furchtbaren. 
Sehen Sie nun, was alles eine große Tragödie von 
solhen Grundformen ästhetischer Wirkung vereinigt, wel<e Fülle! 
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