2(y Erster Teil. 811.
hebung zur reinen Sorm ist das Werk einer besonderen
Thätigkeit des menschlihen Geistes: der Phantasie. Sie
schafft das Jdealbild.
Das Schöne j<ließt mit dem Gegenstand den Anschauen-
den in sih. Es scheint, das Schöne existiere draußen in der
Welt, wir dürfen nur die Augen aufmachen, und es sei da; aber
es s<heint nur so. Zwei Künste finden keine Formen in der
Natur vor: Architektur und Musik. Damit ist freilich nicht ge-
sagt, daß bei ihnen gar keine Nachahmung der Natur sei. =
Jedoch wir müssen das vorerst beiseite lassen. Denken wir
an die Malerei, an die Skulptur und an die Poesie. Sie ent-
nehmen ihre Stoffe der Welt und dem Leben. Wir haben ja
keine anderen Grundformen als die von der Natur gegebenen,
können nicht über sie hinaus. Darin können wir die Natur nie
meistern, nie übermeistern. Die Phantasie kann wohl Traum-
haftes, Phantastisches bringen, aber stets operiert sie mit Natur-
formen, die sie nur in anderen, neuen Verbindungen bringt).
Sie malt Engel. Woher nimmt sie die Flügel? Sie hat sie
am Vogel gesehen. So verbindet sie tierische und mensc<liche
Formen im Kentauren. Auch an Teufeln und Drachen ist nur
die tolle Kombination das Neue.
Diese Formen der Natur nun, auf welche die Kunst an-
gewiesen ist, scheinen schon an und für sich schön zu sein. Für
gewöhnlich, wenn wir die Sache nicht genauer nehmen , unter-
scheiden wir ein Schönes in der Natur und ein Schönes in der
Kunst durc<h die Kunst. Wir sagen das eine Mal: dies oder
das ist so sc<hön, daß es kein Künstler so schön hätte bilden, kein
Dichter so schön hätte dichten können. Ein andermal behaupten
wir umgekehrt, die Kunst muß der Natur nachhelfen und sie er-
gänzen.
Was ist unter Natur zu verstehen, wenn wir sagen: das
Naturs<höne. Wir dürfen hier nicht, wie gewöhnlich, an den
Gegensaß zum Geist denken. Naturschön heißt das Schöne, wie
es da ist ohne Zuthun der Kunst; wir nehmen hier also die
1). Vgl. S. 18.
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