Arten und Grade der Begabung. 17
Idealbilder in keusher Entfernung von allem Empirischen hält
und ihnen nicht viel zuwägt von der groben Realität, eine
andere greift ke>er in das Leben ein. Dies gibt den Unter-
schied des Jdeal- und des Realstils, wie man es gewöhnlich
nennt?!).
Unorganische Arten oder Formen der Phantasie entstehen,
wo sie sich aus zweifelhafter Begabung mit fremden Bestand-
teilen mis<t, und in ihrem Schaffen entweder zu stark das Ge-
dankenhafte oder zu stark das Stoffliche vorwiegt. Unter diesem
Gesichtspunkte wäre die allegoris<e, rhetorische, tendenziöse,
satiris<e, didaktis<e, die sentimentale und die grob sinnliche,
naturalistis<e Richtung zu betrachten.
Dann die Grade der Phantasiegabe, das Maß der Aus-
stattung. Da müßte nun untersu<ht werden der Unterschied
von Talent und Genie. Wenn man im täglichen Verkehr
sagt: das ist ein Talent, so kann das wohl so viel heißen: ein
Genie. Aber sonst verbindet man mit dem Begriff Talent
etwas Schwächeres als mit dem Begriff Genie; man denkt
dabei mehr nur an eine gewisse Leichtigkeit, an die Gabe des
Anempfindens, Nachahmens. Jeder hat ja in seinem Leben ein
paarmal Verse gemacht, aber ohne starken Drang und Erfolg.
Das Genie dagegen ist eine geistige Naturkraft von einer
schöpferis<en Urgewalt, die alle Herzen bezwingt. In wuchern-
der Fruchtbarkeit und wildem Beginnen s<afft ':es eine neue
Formenwelt mit dem Stempel der Ewigkeit, der ewigen Wahr-
heit. Es sieht mit dem Blik der Ahnung in das Herz der
Dinge. Sein Wesen ist central.
Endlich die Ges<i<hte der Phantasie! Auch die Phan-
tasie ist ja historis< bestimmt. Es wäre zu erkennen, wie diese
Gabe gefärbt wird durch die Kulturzustände eines Zeitalters,
eines Volkes, dur< die Verhältnisse der Gesells<aft, des Staates
und dur< den Charakter der Religion. Die Phantasie des
Einzelnen ist ja die Phantasie eines Menschen, der in dieser
Zeitperiode, inmitten dieses Volkes, unter diesen historischen Be-
1) Vgl. S. 27.
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